2 x Neues von Daniel Clowes

Meister des Absurden und Grotesken

Eine beinahe schon obsessive Neigung zum Bizarren hatte Daniel Clowes («Ghost World») schon immer – sein nun bald wieder aufgelegtes Hauptwerk «Wie ein samtener Handschuh in eisernen Fesseln» legt ein beredtes Zeugnis davon ab. Das zeigt sich auch bei seinem neuesten Werk «David Boring» (Reprodukt, zirka 20 Euro/30 Franken). Was wie eine leicht krude Indie-Lovestory mit dem titelgebenden, leicht verwirrten 19-Jährigen in der Hauptrolle beginnt, rutscht zunehmend ins Bizarre ab: Borigs Fixierung auf Wanda und vor allem auf deren prallen Hintern endet damit, dass der Jüngling angeschossen und auf eine Insel in die Obhut seiner tyrannischen Mutter gebracht wird. Hier ist er – zusammen mit seiner besten Freundin, einer Lesbierin – dazu verdammt, auf den Weltuntergang zu warten.

 

Spätestens wenn man bei derjenigen Panelfolge angelangt ist, bei der sich Boring (grafisch wie der ganze Band in Graustufen brilliant umgesetzt) mit fiebrigem Blick Stück für Stück Wandas Po annähert und schliesslich ans Ziel seiner Begierde gelangt, zeigt sich, dass Daniel Clowes (* 1961 in Chicago) mit seinem Gespür für verwirrende Details und Stimmungen ziemlich krass drauf ist. Auch wenn der Krimi-Einschlag vielleicht etwas aufgesetzt und im Grunde unnötig erscheinen mag – diese Eigentümlichkeit wird durch die in Farbe im Stil eines alten Superheldencomic-Hefts realisiert Einschübe, in denen der Protagonist das Rätsel um seinen früh verstorbenen und von der Mutter totgeschwiegenen Vater zu entwirren versucht, allemal wettgemacht. «David Boring» ist ein Must have für alle, die bereit sind, kompromisslos in Clowes' kranke Welt einzutauchen.

 

Für alle, die daran Gefallen finden, haben übrigens auch einen guten Grund, um einmal Luzern zu besuchen: Daniel Clowes ist nämlich Stargast am hier stattfindenden Comix-Festival Fumetto, das vom 9. bis 17. April in der Heimatstadt von Comic-Check stattfindet. (scd)

 

Die bei Reprodukt erschienenen Clowes-Titel mit Leseproben »

Auch in «Wilson» (Eichborn, zirka 20 Euro/30 Franken) dreht sich alles um eine tragische Figur. Das Leben hat es mit der titelgebenden Figur – Mittelalter, dicke Hornbrille, schütternes Haar, Bauchansatz – nicht gerade gut gemeint. Oder ist das Selbstmitleid grösser als der tatsächliche Leidensdruck durch äussere Umstände? Als personifizierter Sarkasmus wandelt der Antiheld durch die Hinterhöfe einer typischen amerikanischen Kleinstadt und hält sich und den Bürgern ungeschönt den Spiegel vor. Auch wenn überbordende Selbstverachtung untrennbar mit ihm verbunden scheint, trotzt der geschätzte Mittvierziger dem Schicksal – immerhin ist da ja noch sein abgöttisch geliebter Hund Pepper, dem seine Mitmenschen wenigstens Aufmerksamkeit zollen. Auf der Suche nach Sinn und Geborgenheit macht er sich auf, seine Ex-Frau zu suchen, von der er annimmt, dass sie im Pfuhl von Drogen und käuflichem Sex zu finden sein wird. Dass ihn auf seinem Weg stetiges Scheitern nicht entmutigt, macht «Wilson» bei entsprechender Lesart eigentlich schon beinahe wieder zu einer Optimismus versprühenden Komödie, die gleichzeitig Lehrstück ohne Mahnfinger ist.

 

Wenn ich mich zwischen «David Boring» und «Wilson» zu entscheiden hätte (was ja gottlob nicht der Fall ist), würde das Pendel letztlich Richtung «Wilson» ausschlagen. Das hat einerseits mit dem prall aus dem Leben gegriffenen Stoff und der Sympathie für Versager zu tun. Neben der wunderbar (selbst-)ironischen Aufbereitung liegt es andererseits an der grafischen Realisierung und Erzählweise, die ziemlich singulär sein dürfte: Daniel Clowes bringt die melodramatische Geschichte um den midlife-crisis-geschüttelten Wilson in One-Pagern dar, die alle auf eine Art Gag hinauslaufen und im Prinzip für sich alleine stehen. Trotzdem gelingt es ihm, aus diesen losen Miniepisoden eine zusammenhängende und in sich stimmige Story zu fabrizieren. Auch wenn der Zweck nicht ganz klar, fasziniert zudem der Umstand, dass sich alle Onepager sowohl in punkto Realitätsgrad der Zeichnung als auch stilistisch komplett voneinander unterscheiden. So kann sich der Leser gleichzeitig an sich selber beobachten, wie er die Geschichte rezipiert mit einem cartoonistisch-grossköpfig realisierten Wilson oder aber mit einem Protagonisten, bei dem hyperrealistisch beinahe jedes Barthaar zu sehen ist. Fazit: Bedenkenlos zugreifen! (scd)

Herrn Hase 2: Blacktown

Sophisten im Saloon

Nach «Slaloms», der als erster Teil der «Erstaunlichen Abenteuer von Herrn Hase» von Lewis Trondheim über den Alltag der menschlichen Existenz meditiert, führt der zweite Teil «Blacktown» (Reprodukt, zirka 12 Euro/20 Franken) die Genreparodie in die Serie ein. In diesem Western gibt es alles, was das Herz begehrt: den Lynchmob, die Killerbrigade, den Helden auf der Flucht, den Outlaw als Gesetzeshüter und die Frau, die das Wilde im Mann zähmt. Von dem Stammpersonal aus den Gegenwartsgeschichten greifen natürlich Herr Hase selbst und seine Freunde, die nervende Labertasche Richard und der Witzbold Titi, ins Zivilisationsgeschehen ein.

 

Herr Hase ist ein kultivierter Bürger Bostons, der aus Versehen einem Bösewicht mit einer Kiste Spucknäpfe den Garaus gemacht hat. Nun flieht er vor dessen rachsüchtiger Bande und landet dabei in Blacktown, wo der Saloonspieleiter Richard gerade allein durch die Macht seiner handlungstheoretischen Worte einen Falschspieler hinauskomplimentiert. Die ganze Stadt versucht, der didaktisch beflissenen Intellektuellen Miss Pacard zu imponieren, die über den Gewaltverzicht doziert. Doch die Männer zeigen stets, dass ihr Fleisch willig, ihr Geist hingegen schwach ist. Eine Goldader, die sich aufgetan zu haben scheint, bringt ihre ganze Gier zum Vorschein, die mindestens ebenso stark ist wie das Bedürfnis, den Fremden an dem nächsten Baum zu hängen.

 

Mit den etymologischen Wurzeln des französischen Worts für «Glück» anzufangen und mit einem standardmässigen Plot-Twist aufzuhören: Das schafft nur Trondheim. Bei allen immens witzigen Albernheiten rund um die Knallchargen herum darf man nicht übersehen, dass er en passant einen für ihn typischen Miniaturdiskurs über das Glück ins Zivilisationsthema des Westerns einbettet. Der philosophische Gehalt, den Trondheim in seine 48 Seiten steckt, geht deutlich über das hinaus, was in dem gefeierten «Logicomix» zu finden ist. (wak)

 

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Neues von Lewis Trondheim gibt es auch bei der «Spirou + Fantasio Spezial»-Reihe. Im elften Band «Panik im Atlantik» (Carlsen, zirka 10 Euro/16 Franken) muss der Rotschopf wegen Umstrukturierungs- massnahmen sein Hotel verlassen und arbeitet fortan auf einem Luxus-Kreuzfahrtschiff. Dass Trubel vorprogrammiert ist, erstaunt nicht vor dem Hintergrund, dass sowohl der quirlige Sensations- reporter Fantasio als auch der wirre Erfinder Graf von Rummelsdorf ihren Weg an Bord gefunden haben.

 

Eines ist sicher: Trondheim hat sich den Franquin'schen Figurenkosmos ganz zu eigen gemacht. Einmal davon abgesehen, dass Fabrice Parmes Zeichnungen ganz im Stil überdrehter US-Zeichentrickfilmserien (und aus diesem Métier kommt der Franzose auch) für einen ungemein frischen Wind sorgen, dürfte dies längst nicht alle Freunde des abenteuerlustigen Pagen freuen: Sehr an das Werk von Jaques Tati («Die Ferien des Monsieur Hulot») erinnernd, wird der Schwerpunkt auf Mini-Episoden in der Übungsanlage Kreuzfahrttrip gelegt, wobei wie auch bei «Herrn Hase» und beim Trondheim'schen Oeuvre allgemein das philosophische Moment nicht zu kurz kommt. Das ist zwar (wenigstens zunächst) ungemein zerstreuend, vermag aber nicht darüber hinwegzutäuschen, dass «Panik im Atlantik» als 64-seitige Geschichte im herkömmlichen Sinn der Serie nur sehr bedingt funktioniert. (scd)

2 x Neues von Jiro Taniguchi

Der mit dem Samuraischwert Blauröcke tranchiert

1869: Die beiden nach den Staaten emigrierten Japaner Hikosaburo Soma und Manzo Shiotsu versuchen sich in den Rocky Mountains als Goldschürfer. Doch als sie einer von Weissen gejagten Indianerin zu Hilfe eilen, nimmt der amerikanische Traum einen ganz anderen Verlauf als geplant. Unversehens finden sich die beiden Samurais als Stammesbrüder der Oglala wieder und verteidigen den heiligen Boden der Black Hills gegen die unter Colonel George Armstrong Custer heranrückenden Soldaten der US-Regierung.

 

Dem Auftritt von Asiaten im Wilden Westen in Produkten der Populärkultur haftete bis anhin stets etwas Dümmliches (man führe sich etwa die klischeehaft gezeichneten, sprachfehlerbehafteten Chinesen in «Lucky Luke» vor Augen) oder Komödiantisches (Jackie Chan in «Shang-High Noon») an. Dieses Muster versucht Jiro Taniguchi nun mit «Sky Hawk» (Schreiber & Leser, zirka 17 Euro/26 Franken), wo zwei edle Samurais den von den Siedlern gepiesackten Indianern zur Seite stehen, zu durchbrechen. Der Ausflug in dieses Genre mag angesichts der bewusst unspektakulären Alltagsplots, mit denen Taniguchi in den letzten Jahren machtvoll ins westliche Bewusstsein gedrungen ist, überraschen. Wer auf den Anfang des Mangakas schaut, erkennt aber unschwer, dass dieser schon mit allen erdenklichen Szenarien für verschiedenste Zielgruppen gearbeitet hat. Zudem sind die taniguchi-typische Poesie und das Element des Innehaltens auch – den zahlreichen dynamisch dargestellten Actionszenen zum Trotz – in «Sky Hawk» allgegenwärtig.

 

Bei aller grundsätzlichen Sympathie nervt etwas stellenweise doch: die ununterbrochen zelebrierte Überlegenheit und Weisheit der Samurai-Kultur, demonstriert etwa an der gutväterlichen Weitergabe der Kampftechnik Jiu Jitsu an die staunenden Indianer und der plötzlichen Erkenntnis der amerikanischen Ureinwohner, dass die langen Pfeilbogen aus Fernost den ihren ja weit überlegen sind. Ganz zu schweigen von der Darstellung der Kavallerie als tumbe «Blauröcken», die höchstens durch schweres Geschütz – quasi «unfaire» und «unmännliche» Methoden – und zigfache Überlegenheit siegen können. Trotz der zeitweisen Triumphe der «Schwachen» und «Guten» bleibt das Indianer-Epos (im Prinzip quasi eine Umkehrgeschichte zum Tom-Cruise-Hollywood-Vehikel «The Last Samurai») getreu der Einbettung in authentische Zusammenhänge realistisch: Nach einer letzten Niederlage werden die Indianer in Reservate verfrachtet und die beiden Samurais zur Legende. Anlesen! (scd)

 

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Bei einem Trödler in Katmandu stösst Fukamachi Makoto auf eine alte Kamera. Bald findet der japanische Alpin-Fotograf heraus, dass es sich dabei um die legendäre «Kodak Pocket Autographic Special» handelt, welche George Mallory und Andrew Irvine bei der gescheiterten Erstbesteigung des Mount Everest 1924 mit sich führten. Als Makoto der historisch wertvolle Zeitzeuge gestohlen wird, macht er Bekanntschaft mit Habu Yoshi – ein so unnahbarer wie fanatischer Extrembergsteiger, welcher der Alpinisten-Szene vor acht Jahren den Rücken gekehrt hat. Je mehr Makoto über Habu-San in Erfahrung bringt, umso mehr fasziniert ihn die Geschichte des einsamen

Kletter-Genies.

 

«Gipfel der Götter»: Das fünfbändige Bergsteiger-Epos von Jiro Taniguchi (nach einem Roman von Baku Yumemakura) gehört nach wie vor zu den Perlen des japanischen Comics. Das beweist eine Re-Lektüre des ersten Bandes, der jetzt neu aufgelegt vorliegt (Schreiber & Leser, zirka 17 Euro/31 Franken), eindrücklich. Majestätische Natur, subtile Zeichnung der Charaktere, ein filigraner Strich, Verschmelzung von Gegenwart und Vergangenheit, langsame Erzählweise als Programm: Das ist Taniguchi pur! (scd)

 

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Mehr zu Taniguchi gibts in unserem Shodoku-Special »

Die Tochter des Professors

Beschleunigte Bandagen

Bei manchen Comics fragen sich die Liebhaber schon seit Jahren, warum es eigentlich keine deutsche Übersetzung gibt. Einer dieser Comics ist viel zu lange «Die Tochter des Professors» gewesen, nach einer Geschichte von Joann Sfar gezeichnet von Emmanuel Guibert. Vielleicht sind erst jetzt beide Namen im deutschsprachigen Raum prominent genug geworden, dass sich ein Verlag (Bocola, zirka 15 Euro/23 Franken) an die ausgelassene Geschichte heranwagte, die eine surreale Ausgangssituation im Stile klassischer amerikanischer Filmkomödien entfaltet.

 

Die Erzählung ist wohl einfach zu heiter und leichtfüssig, um in das Graphic-Novel-Vermarktungskonzept zu passen, das die deutschen Verlage gegen die Vorurteile des Bildungsdünkels auffahren. «Dreissig Jahrhunderte trennen sie… und dennoch lieben sie sich.» Kaum ein Band setzt seine Leser so in medias res: Die Mumie eines ägyptischen Königs und die Tochter eines englischen Archäologen von Weltruf haben es beide satt, ihr (Nach-)Leben aus der Hand zu geben. Ihre Situation erinnert ihn ebenso wie ihre Erscheinung an seine frühere Frau, die als frühere Sklavin nicht so wie er exhumiert worden war und deshalb wirklich tot ist. Bevor die unzeitgemäße Liebe in den bürgerlichen Hafen einlaufen darf, müssen allerdings die Verantwortung für zwei Todesfälle geklärt, die frühere Ehe von Imhotep IV bewältigt und der Vater-Sohn-Konflikt zwischen ihm und Imhotep III gelöst werden.

 

Ähnlich wie bei «Kapitän Scharlach» setzt Emmanuel Guibert dramaturgisch grundlegende Situationen in verschiedene Grundtöne. Je verworrener allerdings die Konstellationen werden, desto «realistischer» wird die Farbgebung. Er sah sich der Schwierigkeit ausgesetzt, bandagierten Mumien mit einem Ausdrucksvermögen auszustatten. Das Problem löste er, indem der Gestik und Choreografie mehr Gewicht gab. So gehen nicht allein der Wortwitz von Sfar und die grafische Dynamik von Guibert eine unwiderstehliche Liaison ein: Die Mittel der Screwball-Comedy treffen hier auf die Sprache von Tinte und Chinatusche. Das Ergebnis ist einzigartig. (wak)

 

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Die Packard Gang

Einmal Bankräuber – immer Bankräuber (?)

Der Fall der Packard Gang lässt Inspektor Barton auch nach 20 Jahren immer noch nicht los. Ungereimtheiten bei der Festnahme der notorischen Bankräuber rauben ihm den Schlaf. Barton bleibt nichts anderes übrig als John Foster, den Kopf der Bande, der nach seiner Gefängnisstrafe wieder ein bürgerliches Leben führt, aufzuspüren und zur Rede zu stellen.

 

Mit «Die Packard Gang» (Schreiber Leser, zirka 18 Euro/30 Franken) veröffentlicht der französische Comic-Künstler Marc Malès eine waschechte «Film noir»-Geschichte. In der Hauptrolle: Ein gebrochener Polizist, der Jahre nach dem Abschluss seines grössten Falls an seinem Erfolg zu zweifeln beginnt und sich nun auf die beschwerliche Suche nach der Wahrheit macht. Der Zeichenstil passt ideal zum Genre und lehnt sich an alte Detektiv-Comics an. Die in schwarz-weiss gehaltene Geschichte besteht vor allem aus kleinformatigen Panels. Vor allem in den Passagen, die ohne Text auskommen rufen diese eine besondere Dynamik hervor. Malès ist ein Comic gelungen, der den Leser trotz relativ wenig Action für eine Detektiv-Geschichte dank der unklaren Rollenverteilung zwischen (Ex-)Verbrecher und Polizist zu fesseln vermag. (ras)

 

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Umsonst ist der Tod

Der Mörder ist näher als man denkt

Die Frau des Staatsanwalts wird ermordet aufgefunden. Ein weiterer Beweis dafür, dass die Behörden in der Stadt im Kampf gegen das organisierte Verbrechen auf der Verliererseite stehen. Alle Hoffnungen ruhen nun auf den Ermittlungen von Detective Frank Witkins. Diese machen jedoch kaum Fortschritte, wahrscheinlich weil auch dieser Gesetzeshüter augenscheinlich keine weisse Weste hat.

 

Mit «Umsonst ist der Tod» (Schreiber Leser, zirka 19 Euro/30 Franken) bringen die spanischen Debütanten Sagar Forniés und Sergi Álvarez einen Comic-Krimi heraus, bei dem man vergeblich nach strahlenden Helden und reinen Bösewichten Ausschau hält. Auch grafisch dominieren die Graustufen. Die äusserst dynamischen schwarz-weissen Zeichnungen wurden nur mit einer grauen, aquarellartigen «Kolorierung» versehen. Abseits der gelungenen Grafik und Handlung wirken nur die übernatürlichen Elemente in der sonst illusionslosen Story befremdlich. Trotzdem ein empfehlenswerter Comic, der sicher nicht nur Krimi-Fans zu gefallen vermag. (ras)

 

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Final Crisis

Die letzte Schlacht der Superhelden

Vielleicht liegt es am epischen Cover von J. G. Jones oder am pointierten Titel. Unter Umständen macht es das Gewicht des dreihundertvierzig Seiten schweren Sammelbandes aus. Vermutlich ist es die Faszination für den Autoren. Bei Grant Morrison beschleicht mich wiederholt das Gefühl, etwas Monumentales in den Händen zu halten. Auch mit «Final Crisis» (Panini Comics, zirka 25 Euro/35 Franken) kündigt Morrison an, zum grössten Rundumschlag im DC-Universum auszuholen. Die Story der letzten Schlacht befriedigend zusammenzufassen, scheint genau so ein Ding der Unmöglichkeit zu sein wie alle darin vorkommenden Helden und Schurken des DC-Multiversums aufzuzählen. Was mit einem Mord am Gott Orion wie ein normaler Krimi beginnt, stellt sich als Teil eines teuflischen, ultimativen Planes heraus, der sich lawinenartig durch den Sammelband entwickelt. Eine zentrale Rolle nimmt dabei Superman ein, der ausserhalb von Raum und Zeit auf der Mission nach einem Heilmittel für seine tödlich verletzte Lois Lane ist.

 

Neben der unübersichtlichen Handlung ist es vor allem Morrisons Erzählstil, der den Leserinnen und Leser einiges abverlangt: «Channel zapping» nennt er die Erzähltechnik, mit welchem der Macher von «Batman: Arkham Asylum» oder «All Star Superman» die Leserinnen und Leser auf verschiedenen Handlungssträngen durch Parallelwelten schickt. Dabei werden auf einer Metaebene auch Superhelden, das Medium Comic und das Erzählen selbst thematisiert. Wer sein Superheldenwissen unter Beweis stellen möchte oder Lust hat, sich mit Morrisons auf seiner kreativen Spielwiese auszutoben, der wird mit der siebenteiligen Serie «Final Crisis» plus den dazugehörigen Miniserien «Superman beyond» und «Final Crisis: Submit 1» unterhaltsame Weihnachten feiern. An einer mehrfachen Lektüre führt jedoch kein Weg vorbei. (sam) 

 

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O'Boys 1

Verlorene Söhne Amerikas auf Odyssee

Der erste Band von «O'Boys» (Ehapa, zirka 14 Euro/22 Franken) ist ein gelungener Auftakt einer klassischen Abenteuergeschichte im Geiste von Mark Twain, die aber brutaler und kompromissloser ist. Die 1930er-Jahre in den Südstaaten der USA bilden den Hintergrund. Es ist die Zeit der Weltwirtschaftskrise, der Zeit des grossen Trecks von Oklahoma nach Kalifornien, weil die verschuldeten Farmer von ihren Grossgrundbesitzer vertrieben wurden.

 

Philippe Thirault (Text) und Steve Cuzor (Zeichnungen, Text) erzählen die Geschichte von Huck Finn und dem Schwarzen Charley Williams. Wie ihre grossen literarischen Vorbilder Huckleberry und Jim fliehen sie aus der Enge des Südens, vor Gewalt und Rassismus. Huck wird von seinem alkoholsüchtigen und cholerischem Vater bei jedem geringsten Anlass geschlagen. Als der Vater eines Tages verschwindet, um sich einer Gefängnisstrafe zu entziehen, wird Huck von einem wohlhabenden kinderlosen Ehepaar adoptiert. Sein Adoptivvater besitzt eine Katzenfisch-Zuchtanlage und beschäftigt sehr viele Schwarze. Huck überredet Charley, ihn in eine verrauchte Musik-Bar, mitzunehmen. Dort darf er jedoch nicht bleiben, denn Schwarz und Weiss gehören nicht zusammen. In der wohlhabenden Welt seiner Adoptiveltern fühlt sich Huck nicht wohl, und Charley hat grundsätzlich seine Probleme mit regulärer Arbeit, macht er doch viel lieber Musik. Als Hucks leiblicher Vater wieder auftaucht und den Jungen zum Diebstahl erpresst, fasst Huck einen Plan. Sein inszenierter Tod soll die Erlösung bringen. «So wurden wir zu 'Hobos' und 'ritten den Schienenstrang' quer durch unser gutes altes Amerika, über Jahre hinweg und ohne viel darüber nachzudenken! Das Leben lag vor uns, genauso wie die Probleme…
Und dann ist einer von uns beiden nicht zurückgekehrt. Niemals. Das hier ist die verdammte Geschichte von uns beiden! Es wurde Zeit, dass ich sie Ihnen erzähle. Huck Finn, Mississippi 1935.»

 

Wer gute Abenteuerstories im Geiste von Mark Twain mag, darf sich diesen und alle Folgebände – der zweite ist soeben erschienen – nicht entgehen lassen. Die Farben von Cuzor passen sehr gut zum Ambiente wie auch die Darstellung von Licht und Schatten. (uf)

 

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Preacher 8: Bis zum letzten Atemzug

Ruhe vor dem Sturm

Nachdem Reverend Jesse Custer im verschlafenen Städtchen Salvation als Sheriff gehörig aufgeräumt und dem dortigen Wurst-König Saures gegeben hat, ist ein Wiedersehen mit Tulip, der Liebe seines Lebens, überfällig. Diese hat – im Glauben an seinen Tod – eine dreckige Zeit mit Cassidy hinter sich. Jesse kann es fast nicht glauben, dass ihn der irische Vampir und bisherige Busenfreund derart getäuscht hat, doch Nachforschungen bringen immer mehr Vertrauensbrüche an den Tag. Zeit zur Abrechnung…

 

«Bis zum letzten Atemzug» (Panini, zirka 30 Euro/44 Franken), der achte von neun «Preacher»-Sammelbänden von Garth Ennis und Steve Dillon, ist vom Plot her das perfekte Beispiel für ein «retardierendes Element», bevor es endlich zum Showdown mit Gott kommt. Will heissen: Ziemlich viel Gequatsche, kaum wirkliche Action und dümpelndes Vorantreiben der Nebenstränge mit Arschgesicht und Starr. Kult ist die Serie allemal – und die im Band enthaltene Spin-Off-Story über die wilde Vergangenheit von Jesse und Tulip weiss mit ihrem Hau-drauf-Stil zu entzücken. (scd)

Die Herberge am Ende der Welt

Literat auf der Suche nach Inspiration

Mit kraftvollen Auquarellen erzählen Prugne und Oger in «Die Herberge am Ende der Welt» (Splitter, zirka 20 Euro/30 Franken) die Geschichte von einem Schriftsteller, der 1884 an der bretonischen Küste in Ruhe ein Buch schreiben will. In einem verlassenen Dorf steigt er im titelgebenden Gasthaus ab. Der Patron, ein kranker alter Mann, erzählt ihm, wie es dazu kam, dass fast alle Bewohner ihre Heimat verlassen haben. Es begann vor 62 Jahren, als die junge Irena verschwand und ihre Mutter bestialisch ermordet wurde. Jahre später erschien Irena plötzlich wieder im Dorf und verfügte über aussergewöhnliche Eigenschaften und Kräfte. Nach ihrer Rückkehr tauchte auch ihr alter Jugendfreund Yann wieder auf. Gemeinsam erlebten sie mysteriöse, übersinnliche Abenteuer mit grausigen Monstern. Diese hatten mit dem Sterben, Leiden und Verschwinden der Dorfbewohner zu tun. Die Geschichte des Alten nimmt am Ende eine überraschende Wendung.

 

Mit den Mysterien und Morden dieser abgeschlossenen Erzählung erzeugt Prugne ein stimmungsvolles Album. Die Handlung wird in detailreichen Zeichnungen sehr gelungen und glaubhaft dargestellt. Es ist eine wunderschöne surreale Erzählung, die den Legenden, Sagen und Märchen sehr nahe steht. (uf)

 

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3 x Neues von Dracula

Der Pfähler ist wieder da

Die feine Gesellschaft des viktorianischen Zeitalters trifft sich zu besonderen Anlässen in Clubs und Ballsälen. Für Gesprächsstoff sorgt Captain Richard Drake, der von einer seiner Forschungsreisen aus Afrika zurückgekehrt ist. Der etwas mürrische, arrogante Forscher trifft auf die schöne Miss Lacombe. Ihre abweisende Art weckt den Jagdinstinkt in ihm, doch er hat die Rechnung ohne den geheimnisvollen Dandy, Lord Faureston, gemacht. Dieser übt einen rätselhaften Einfluss auf die junge Frau aus.Dass Vampirismus im Spiel ist, muss Drake immer mehr und mehr erkennen...

 

Miss Lacombe, die schöne Unnahbare, die dem Bösen verfällt. Der geheimnisvolle Lord Faureston, der sich als Vampir entpuppt und dem das Handwerk gelegt werden muss. Captain Richard Drake als draufgängerischer Abenteuerer. Dazu gibt es einen durchgeknallter Banker, der sich des nachts als Vampirjäger betätigt und direkt aus Polanskis Genreparodie «Tanz der Vampire» entsprungen sein könnte. Die Handlung von «D» (Splitter, zirka 14 Euro/22 Franken) von Alain Ayroles und Bruno Maïorana ist vorhersehbar, man findet lauter Versatzstücke aus zwar bekannten Stoffen, die jedoch sehr unterhaltsam – ganz im Stile eines Oscar-Wilde-Romans – zusammengeführt werden. (uf)

 

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Im Tanzclub, in verlassenen Stadtvillen und vor allem in der Kleinstadt Sable Noir. Dass die Vampire überall lauern, zeigen französische Comic-Künstler gleich sechs Mal. In einem besonderen Comic-Projekt erhielten die Zeichner die Aufgabe Vampire zu thematisieren. Und die Resultate in den zwei Bänden von «Vampire» (Ehapa, zirka je 20 Euro/30Franken) könnten kaum unterschiedlicher sein. Die Stile reichen von kruden, in grau gehaltenen, skizzenhaften Zeichnungen bis hin zu schnörkellosen in grellen Farben in Superheldencomic-Grafik.

 

Ebenso kreativ präsentiert sich der Inhalt der Geschichten. So wird etwa die witzige Suche eines ehemaligen Starautors mit Schreibblockade nach den Untoten und damit der Inspiration oder die erotisch aufgeladene Jagd der Vampire auf junge, gut aussehnende Frauen in Diskotheken zwecks Verjüngung durch ihr Blut gezeigt. Dabei interpretieren die Künstler den Begriff Vampir recht weit: Vom klassischen Blutsauger über geisterhafte Wesen bis hin zu den alltäglichen, uns allen bekannten Vampiren des Alltags ist alles vertreten. Somit ist über «Vampire» zu sagen, dass es sich um einen Pflichtkauf für Fans handelt und eine spannende, kurzweilige Lektüre für offene Leser von Comic-Experimenten darstellt. (ras)

 

NB: Bei Ehapa ist übrigens auch noch der Titel «Dracula» (zirka 40 Euro/57 Franken) von Pascal Croci erschienen, der Comic-Check leider nicht vorliegt. Wenn man das sehr zu empfehlende Holocaust-Werk «Auschwitz» desselben Autors als Richtschnur nimmt, dürfte der Band sowohl formal als auch inhaltlich einiges an Potenzial aufweisen. Diesbezüglich vielleicht noch ein Tipp: Was schnörkellose Dracula-Umsetzungen anbelangt, ist für mich immer noch die von Mike Mignolia («Hellboy») realisierte und inzwischen leider vergriffene Comicadaption des brillianten Films von Francis Ford Coppola das Mass aller Dinge. (scd)

Mit dem ersten Band von «American Vampire» (Panini, zirka 17 Euro/24 Franken) von Scott Snyder/Stephen King und Rafael Albuquerque erscheint ein weiterer Spross des Dracula-Genres. Der Meister des Horrors siedelt den Beiss-Horror ins Amerika der 1920er-Jahre um. Schliesslich dürften auch die Vampire von ihren angestammten Grüften ins Land der Träume immigriert sein, um hier ihr Glück (sprich neues Blut) zu suchen. Als 1880 der üble Bandit Sweet Skinner von einem transilvanischen Einwanderer gebissen wird, ist das der Startpunkt für die Ära einer neuen Spezies, der Sonnenlicht und Pfähle nichts anhaben können. das Kräftemessen zwischen den Clans beginnt...

 

«Dieser Comic ist wirklich neu und originell», prangt es werbend auf dem Cover. Das kann ich nicht wirklich unterstreichen. Und nur weil King am Comic beteiligt war, muss das ja noch lange nicht heissen, dass der Band damit automatisch gut wäre. Erzähltechnisch mit zwei Ebenen aufwartend, welche die aktuellen und die historischen Ereignisse behandeln, hinterlässt «American Vampire» mit seiner eher mittelmässigen Story und dem qualitativ leider nicht durchgängig überzeugenden Artwort einen eher lauen Eindruck. Für absolute Fans des Genres dürfte sich ein Anlesen trotzdem lohnen. (scd)

 

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Alice Cooper: Die letzte Versuchung

Heavy-Metal-Ikone in grazilen Strichen

Steve ist ein ganz normaler Junge. Das ändert sich schlagartig, als er mit seinen Schulkollegen auf dem Nachhauseweg auf ein vorher nicht da gewesenes Gebäude stösst, in dem gerade eine Show namens «Theater der Realität» gezeigt wird. Denn es ist ausgerechnet Steve, der von der mysteriösen Gestalt vor dem Eingang – Engel und Teufel zugleich – einen Gratiseintritt erhält.

 

Längst nicht alles, was Neil Gaiman («Sandman») anfasst, wird zu Gold. Dafür ist «Alice Cooper – Die letzte Versuchung» (Ersterscheinung 1994, Panini, zirka 17 Euro/24 Franken) der ultimative Beweis. Das ganze Leben ist ein Theater: Das ist die Message, über die der kleine Hardcoverband mit Alice Cooper als Gallionsfigur partout nicht hinaus kommt – und die ja unter uns gesagt ja auch nicht wirklich bahnbrechend oder neu wäre. Michael Zullis Schwarzweiss-Artwork harmoniert zwar mit dem Inhalt, sein dünnstrichiger Strich hat aber mächtig Patina angesetzt. Da der Band explizit eine Adaption der Lyrics des Konzeptalbums «The Last Temptation» des Grusel-Rockers (mit dem Alter Ego desselben in der Hauptrolle) darstellt, dürften wohl vor allem Cooper-Fans Spass daran finden. (scd)

 

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Castro

Die Revolution? Immer noch nicht beendet

Es gibt nur wenige Staatschefs, die auf eine ebenso lange Zeit an der Macht waren wie der kubanische Revolutionär Fidel Castro. Und wahrscheinlich gab es kaum einen zweiten, der auf ein derart ereignisreiches Leben zurück blicken kann: Vom ersten Arbeiteraufstand, den er als Jüngling auf einer Plantage anzettelt, über eine Gefängnisstrafe und den Guerilla-Kampf bis hin zur Revolution und den unzähligen Attentatsversuchen.

 

Mit «Castro» (Carlsen, zirka 20 Euro/30 Franken) wird erneut ein hervorragender Comic auf dem Markt gebracht. Autor Reinhard Kleist, der bereits durch eine Comic-Biografie (diejenige des Country-Sänger Jonny Cash in «Cash – I See a Darkness») aufgefallen ist, wagt sich erneut erfolgreich an ein bewegtes Leben. Statt sich für die konventionelle Form einer chronologischen Erzählung zu entscheiden, wählt er einen interessanten Blickwinkel: Die Geschichte Castros wird in Rückblenden aus der Sicht eines deutschen Journalisten erzählt, der während der Guerilla-Kämpfe nach Kuba reist, sich schliesslich den Revolutionären anschliesst und auf der Insel sesshaft wird. Da sich der Erzähler mit den Jahren von einem glühenden Verehrer zu einem enttäuschten Kritiker wandelt, wird auch die Darstellung von Widersprüchen und Schattenseiten in Castros Politik und Person nicht ausgespart. Die in schwarz-weiss gehaltenen und mehrheitlich grossformatigen Panels überzeugen durch ihren dynamischen Zeichenstil und grossen Detailreichtum. Vor allem Kleists gekonntes Spiel mit Schwarzflächen ist eine Augenweide. Der Comic endet hochaktuell mit dem gesundheitsbedingten Rückzug Castros aus der aktiven Politik und der Erkenntnis, dass seine in Angriff genommene Revolution immer noch nicht beendet ist. (ras)

 

Trailer zum Comic inklusive Kommentar des Autors »

Manara Werkausgabe 5: El Gaucho

Vor hundert Jahren – ich erinnere mich...

Südamerika zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Während einer Volkszählung unter den Indios entdeckt eine Patrouille den uralten englischen Trommler Parau alias Tom Braun. Dieser war als 16-Jähriger dabei, als englische Truppen hundert Jahre davor versucht hatten, Buenos Aires den Spaniern zu entreissen. Der Greis beginnt zu erzählen – vom buckligen Seemann Matthew und der hübschen irischen Prostituierten Molly Mallone...

 

Bei «El Gaucho» (Panini, zirka 25 Euro/36 Franken) – wie «Ein indianischer Sommer» eine Co-Produktion zwischen Hugo Pratt und Milo Manara – handelt es sich zweifelsohne um ein qualitativ hochwertiges Stück Comic-Literatur. Trotzdem vermag sich (wenigstens bei mir) trotz der an sich ja hochdramatischen Story des Bandes von 1991, der jetzt im Rahmen der Werkausgabe neu aufgelegt vorliegt, echte Betroffenheit nicht einstellen. Möglicherweise liegt das am sehr spezifischen historischen Szenario, vielleicht am wie zufällig gesetzten Anfang und Schluss (wobei zig Jahre ausgespart werden – wie etwa Tom Brown zu Paraun wurde, erfährt man leider nicht), an den manara-typisch unmotiviert eingestreuten Nacktszenen oder aber am hölzernen Protagonisten, der kaum eine Regung zeigt, wodurch das Identifikationspotenzial entsprechend gering bleibt. Am Rande bleibt zudem zu hoffen, dass bei «Kamasutra», dem nächsten Band der Reihe, ein weniger gewöhnungsbedürftiges Lettering zum Einsatz kommt. (scd)

 

Zum Manara-Schwerpunkt »

Druuna: Serpieri Collection 1

Alles verfällt – doch das Begehren überdauert

In einer düsteren Zukunft: Die attraktive Druuna verschanzt sich mit ihrem Liebsten Shastar in ihrem tristen Zuhause. Wie viele andere in dieser verwüsteten, namenlosen Metropole leidet auch er an der mysteriösen Seuche, die ihn sukzessive  in ein grässliches tentakelbewehrtes Monstrum verwandelt. Die einzige Möglichkeit, die Mutation wenigstens zu verlangsamen, stellt ein nur äusserst schwer erhältliches Serum dar. Also macht sich Druuna auf die Suche. Es wird eine Odyssee voller Entbehrungen, Demütigungen und Gefahren...

 

Mit «Druuna: Serpieri Collection 1» (Schreiber & Leser, zirka 25 Euro/39 Franken) werden die beiden Bände «Morbus Gravis» (1985) und «Druuna» (1987) von Paolo Eleuteri Serpieri in einem Hardcover-Sammelband zusammengefasst. Nach wie vor geht von der Negativutopie mit Horror-Einschlag, die bei der Erstveröffentlichung für einen veritablen Skandal gesorgt hatte, eine grosse Faszination aus. Gleich geblieben ist jedoch die Irritation über die Vermengung von Sex und Gewalt, welche die üppig geformte Protagonistin Seite für Seite von perversen Ärzten, brutalen Soldaten und degenerierten Wesen am eigenen Leib erfahren muss. Dem Umstand, dass Serpieri, der Manara mit seiner hochästhetischen Darstellung des (idealisierten) weiblichen Körpers sogar noch überflügelt, seine Druuna gleichwohl als starke Frau inszeniert, ist es zu verdanken, dass der mittlerweile achtbändige Zyklus auch bis zum einem gewissen Grad gegen den Strich gelesen werden kann. Ein Comic nicht für alle – aber infolge der expliziten Szenen en masse auf jeden Fall ausschliesslich für ein erwachsenes Publikum. (scd)

 

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Manga-Skizzen zeichnen

Rüstzeug für die ostasiatische Kunst

Mittlerweile haben sich Manga als populäres Comic-Subgenre auch in unseren Breitengraden etabliert. Und gleichzeitig hatte die eigenwillige Ästhetik der japanischen Bildgeschichten grossen Einfluss auf unsere Populärkultur. Kein Wunder entsteht bei Kunstschaffenden so ein Bedarf nach Sekundärliteratur wie «Manga-Skizzen zeichnen» (Carlsen, zirka 18 Euro/28 Franken). Der Band bietet Comic-Zeichnern zahlreiche Anleitungen für das anatomisch korrekte Zeichnen und Kolorierung diverser manga-typischer Posen und Körperhaltungen. Besonders hervorzuheben sind ebenfalls die Stilisierung der genre-üblichen Karikaturen und Miniaturisierung der Figuren. Der Band eignet sich aufgrund seiner Ausführlichkeit zwar auch für Anfänger, ist aber aufgrund der Detailtiefe eher an Zeichner gerichtet, welche die Grundlagen bereits beherrschen. (ras)

 

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Manga-Mix

Roboter, tödliche Schönheiten, Übergewicht und schwule Adelige

Europol-Inspektor Gesicht versucht noch immer herauszufinden, wer für die Zerstörung der beiden mächtigen Roboter Mont Blanc und North Nr. 2 verantwortlich ist. Bei den Ermittlungen erhält er Hilfe vom jungenhaften Roboter Atom. Trotzdem gibt es bald ein drittes Opfer – und auch Gesicht selber scheint manipuliert zu werden.

 

Der zweite Band von «Pluto» (zirka 13 Euro/21 Franken) Naoki Urasawa knüpft nahtlos an die hohe Qualität des Auftaktbandes (zur Rezension ») zur achtteiligen Manga-SciFi-Serie an. Es bleibt zu hoffen, dass sich Carlsen den im Klappentext abgedruckten Rat des Co-Autors Takashi Nagasaki, die «Astro Boy»-Episode «Der grösste Roboter aller Zeiten», auf der «Pluto» basiert, zu Herzen nimmt und diese für die deutschsprachige Leser-Gemeinde ebenfalls (vielleicht als Extra?) publiziert. (scd)

Unverhofft gibt es einen neuen Band zu einer beendet geglaubten Ausnahme-Serie. Mit «Lady Snowblood: Extra» (Carlsen, zirka 15 Euro/24 Franken) erscheinen neue Episoden des schönen Racheengels, dessen Geschichte Tarantino zu «Kill Bill» inspirierte. Da der Original-Zeichner Kazuo Kamimura verstorben ist, spannt Autor Kazuro Koike mit Ryoichi Ikegami – es handelt sich um das Team hinter dem Comic-Klassiker «Crying Freeman» – zusammen.

 

Dank Ikegami erhalten die in schwarz-weiss gehaltenen Geschichten über blutige Kämpfe im Japan des 19. Jahrhunderts neben ihrer auch weiterhin dynamischen Grafik nun auch extremen Detailreichtum. Nur fehlt den Episoden leider etwas an Tiefe. Trotzdem sicher nicht nur für Manga-Affine kein Fehlkauf. Als besonderes Extra gibt es noch eine kurze Comic-Version der Erzählung «Tattoo» des japanischen Schriftstellers Junichiro Tanizaki. (ras)

 

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Ebenfalls blutig geht es in «Doubt» (Carlsen, zirka 8 Euro/13 Franken) zu und her. In der neuen Serie dreht sich alles um eine Gruppe Teenager, die sich jeweils in einem Online-Spiel treffen. Darin erhält jeweils ein Spieler die Aufgabe, den Rest zu sabotieren und dabei nicht aufzufliegen. Bei ihrem ersten Treffen in der Aussenwelt verlieren die Jugendlichen das Bewusstsein und finden sich in einem verlassenen Gebäude wieder. Wie sie bald herausfinden ist aus dem Spiel tödlicher Ernst geworden. Der erste Band wartet mit einer hohen Dichte an spannenden Szenen auf und lässt auf einen vielversprechenden Psycho-Thriller hoffen. (ras)

 

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Weniger existenzielle Probleme stehen im Mittelpunkt der neuen Serie «Love Revolution» (Egmont, zirka 7 Euro/10 Franken). Die Mittelschülerin Hitomi kämpft gegen ihr starkes Übergewicht. Trotzdem umschwärmen sie mehrere attraktive Verehrer. Wiederholt übersteht das Grüppchen gemeinsam kleinere Probleme des Schulalltags. Der Plot ist eher ereignislos geraten, dafür bietet der erste Band niedliche Gags und ein schönes Figuren-Design. (ras)

 

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Romantik ist auch das Hauptthema im Einzelband «Stolen Heart» (Carlsen, zirka 6 Euro/10 Franken). Die verschiedenen Episoden kreisen jeweils um homosexuelle Liebesaffären. Im Hauptplot kommen sich ein geheimnisvoller Einbrecher und ein eingebildeter Adliger im alten Frankreich näher. Ergänzt wird der Band von einer Geschichte über schwule Politiker und ihr problematisches Coming-out. Das Plus des Manga sind die sehr gelungenen ästhetischen Zeichnungen und die ungewöhnlichen Szenarien. Uneingeschränkte Empfehlung für Fans des Genres. (ras)

Splitter

Weiterhin neu in den Comicregalen

Nach dem Killer Mangouste steht nun dessen faszinierende Handlangerin «Irina» (Carlsen, zirka 12 Euro/19 Franken) im Mittelpunkt des zweiten Spin-Offs zur mittlerweile abgeschlossenen, überaus hochwertigen Thrillerserie «XIII» von William Vance und Jean van Hamme. Darin wird der geradezu klassischen Frage nachgegangen, wie die ehemalige KGB-Agentin zu dem wurde, was sie jetzt ist: Eine von Hass zerfressene Killermaschine, die sich im Grunde nur nach Wärme und Zärtlichkeit sehnt. Der in der Tradition der ligne claire ausgeführte Band von Philippe Berthet und Corbeyran ist im Prinzip auch als in sich geschlossener One-Shot lesbar – die volle Wirkung entfaltet der Plot jedoch erst bei der vorgängigen Lektüre des 19-bändigen Original-Zyklus. (scd)

Die TV-Serie «The Walking Dead» ist momentan in aller Munde. Zu Recht: In der Darstellung recht brachial, wird die existenzielle Stimmung der intelligent aufgemachten Comicvorlage von Robert Kirkman recht gut eingefangen. Das animiert dazu, sich diese nochmals von vorne vorzunehmen und mit der Verfilmung zu vergleichen. Aktuell erschienen ist der mittlerweile elfte Band «Jäger und Gejagte» (Cross Cult, zirka 16 Euro/23 Franken), in dem sich – wie schon so oft – herausstellt, dass die Menschen und gar nicht so sehr die Untoten die wahren Monstren sind. (scd)

 

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«Best of Dilbert» (Redline, zirka 17 Euro/26 Franken): Endlich eine tolle Sammlung mit den Strips von Scott Adams über die Freuden und Leiden des Büroalltags. Das dachte ich bei der Sichtung des Bands mit dem Untertitel «Die wahnwitzigsten Episoden, besten Geschichten und skurrilsten Ratschläge». Doch leider weit gefehlt: Es handelt sich um humoristisch abgefasstes Sachbuch zum Thema, garniert mit insgesamt relativ wenigen «Dilbert»-Strips. Das macht wenig Sinn, denn diese funktionieren für sich alleine so gut, dass alles andere nur Beigemüse ist. Daher Geld besser in eine Strip-Compilation investieren. (scd)

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