Watchmen-Verfilmung

Den Wächtern in Hochglanz neuen Odem eingehaucht

Im Jahr 1986 brach ein telefondicker Comic mit den Konventionen des Superhelden-Genres und läutete auch eine neue Ära für das Medium an sich ein. Über zwei Jahrzehnte danach präsentiert Hollywood nach mehreren Fehlversuchen eine Adaption des als unverfilmbar geltenden Werks.

Wenn man nach der Visionierung der hierzulande* in der Presse beinahe durchs Band hochgelobten Kinoadaption von Zack Snyder den Comic zur Hand nimmt, wird einem erneut bewusst, wie vielschichtig und komplex die Vorlage und wie legitim ihr Platz im Comicolymp ist. Und unter Umständen versteht man auch, weshalb sich Autor Alan Moore (wiederum) geweigert hat, dass sein Name in irgendeiner Form mit der Adaption in Verbindung gebracht wird.

 

Blut spritzt literweise

Formal ist das 120 Millionen Dollar teure Projekt «Watchmen» zweifellos ein Meisterwerk – wie dies auch bereits Snyders Umsetzungen des Miller-Comics «300» und das Romero-Remake «Dawn of the Dead» waren. Ambivalent erscheint an der konsequenten Trimmung auf Hochglanz höchstens, dass der Comic durch seine eher zurückhaltende Farbgebung im direkten Vergleich wie eine graue Maus anmutet. Zudem (wie beim Snyder-Oeuvre üblich) wurde in Sachen Gewalt – und die Vorlage ist im Grund schon recht deftig, nur kommt das im Ganzen nicht so zur Geltung – noch ein rechter Zacken zugelegt, was bis hin zu Gore-ähnlichen Szenen reicht, in denen Hände abgefräst und Schädel mit Hackmesser gespalten werden. Die perfekt in Szene gesetzten Kampfpassagen lassen zudem etwa Nite Owl II oder Ozymandias physischer viel mächtiger erscheinen als in der Vorlage. Auch der Sexszene mit Silk Spectre II wurde viel mehr Gewicht beigemessen – und mit nackter Haut nicht gespart.

Extended Version angekündigt

Übers Ganze hinaus gesehen, zeichnet sich die Übertragung auf die Leinwand jedoch durch eine recht hohe Werktreue aus – mit allen Limitierungen, die ein Medienwechsel gezwungenermassen nach sich zieht. Zahlreiche Panels finden sich tale quale umgesetzt und oftmals sind die Dialoge 1:1 übernommen worden. Dadurch wird auch die Tiefgründigkeit der Vorlage recht gut transportiert, gerade was Dr. Manhattans Aussagen anbelangt oder Rorschachs Gedankengänge aus dem Off. Und: Natürlich wurde brutalst zusammengekürzt und -gestrichen. Musste wohl auch, sonst wäre das 160-Minuten-Mammutwerk, das zugegebenermassen auch Längen aufweist, noch mehr aufgeblasen worden. Nichts desto Trotz hat Snyder bereits eine Extended Version auf DVD angekündigt, auf der auch der gänzlich vernachlässigte Comic-im-Comic-Strang als Animation mitberücksichtigt werden soll. Wie konsumerabel diese weitere Verlängerung ist, muss sich wohl erst noch zeigen.

Differenzen statt Defizite

Letztlich kann alles in allem postuliert werden, dass es sich bei «Watchmen» – nach dem verpfuschten «From Hell», dem akzeptablen «The League of Extraordinary Gentlemen» und dem insgesamt recht gelungenen «V for Vendetta» – wohl um die beste Adaption eines Werks aus Alan Moores Feder handelt. Es gibt bestimmt zahlreiche Aspekte, über die man sich streiten kann – etwa über den Soundtrack, der durch die historische Ungleichzeitigkeit der Songs aus den 60ern bis heute zum Teil etwas befremdet, wäre es doch gescheiter gewesen, mit dem musikalischen Teppich analog zum Bild zur Stützung der Handlungszeit um 1985 beizutragen. Handkehrum wartet Snyders Version des Stoffs auch mit augenscheinlichen Verbesserungen auf: So kommt etwa der Schluss – der konstruierte Feind wird aus den eigenen Reihen generiert und nicht als diffuse Gefahr aus dem Weltall konstruiert – im Grunde um einiges logischer daher. Wiederum tut man wohl gut daran, Comic und Film nicht im Zeichen des Defizits, sondern der Differenz miteinander zu vergleichen und zu beurteilen. Gleicher Geist, andere Gestalt.

 

Dave Schläpfer, im März 2009

 

* In den USA sieht das Bild anders aus: Hier reicht die Range von 100 Punkten (Höchstwertung, «New York Post») bis hin zu 20 Punkten («Wall Street Journal»), was zu einem recht mauen Durchschnitt (39 Reviews) von gerade einmal 56 Punkten reicht. Zur Auflistung »

 

Interview mit Snyder auf «Spiegel online» »

 

Hintergründe zum Film auf Wikipedia (english) »

 

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