Ghost World

Schwarz und türkis

Getreu dem Motto «Das Beste kommt zum Schluss» hier noch ein ganz besonderes Schmankerl: Wenn man die endlich erschienene Neuauflage von «Ghost World» (Reprodukt, ca. 21 Franken) durchliest, wird einem schnell klar, wie Terry Zwigoff daraus im Jahr 2001 einen so wunderbaren Film hat drehen können: Das neben schwarz nur mit türkis (!) kolorierte, 80-seitige Teenagerdrama um die beiden College-Schülerinnen Enid und Rebecca ist voll das Leben –US-Kleinstadtmief, die üblichen aufkommenden Existenzfragen und das erste gewaltsame Aufbäumen der Hormone inklusive. Der Plot läuft dabei aber nie Gefahr, in die üblichen Kitsch-Klischees zu verfallen.

 

Dafür garantiert schon der Autorname Daniel Clowes. Dieser ist unter anderem durch das meisterhaft subversive «Wie ein samtener Handschuh in eisernen Fesseln» aufgefallen: unvergleichlich absurd, grotesk – clowesk eben. Genau dieses Erzählgestus' bedient sich auch «Ghost World». Man mag es Zynismus, Sarkasmus nennen, doch lebensbejahend bleibt das melancholische und atmosphärisch dichte Werk immer. Zudem kann an diesem Beispiel perfekt aufgezeigt werden, dass es nicht immer tausend Seiten zu einer gelungenen «Graphic Novel» braucht und dass Re-Editionen auch ohne eigens dafür verfasste Vorworte und Extraseiten eine gute Figur machen können. (scd)

 

Mehr Infos und Leseprobe »

Der Fotograf 1: In den Bergen Afghanistans

Mit der Kamera im Krisengebiet

Da wäre zuallererst der äusserst gelungene und eindringliche Auftakt «In den Bergen Afghanistans» des dreibändigen Werks «Der Fotograf» zu nennen (Edition Moderne, ca. 38 Franken): Fréderic Lemercier vereint darin (authentische) Fotografien des im letzten Jahr verstorbenen Fotografen Didier Lefèvre mit Zeichnungen von Emmanuel Guibert zu einer homogenen Collage, mit der eindrücklich aufgezeigt wird, dass es im Krieg (hier zwischen der Sowjetunion und den Mudschaheddin in der Mitte der 1980er-Jahre) nur Verlierer geben kann. Kaufempfehlung! (scd)

Martin Luther King

Facettenreiche Biografie

Weiterhin lobend zu erwähnen ist die Biografie «Martin Luther King» von Ho Che Anderson, ein Jahrzehntprojekt, das Anderson zusammen mit verschiedenen Zeichnern realisiert hat (Carlsen, ca. 51 Franken). Der rund 250 Seiten starke Band erzählt in überwiegend schwarzweisser Grafik das Leben des charismatischen Bürgerrechtlers nach und zeigt King, der 1968 einem Attentat zum Opfer fiel, gerade auch als Menschen hinter dem Mythos. Es ist natürlich immer schwierig, die Adäquatheit eines solchen Unternehmens zu beurteilen, doch Anderson scheint sich wirklich bemüht zu haben, möglichst viele Facetten Martin Luther Kings ins Werk einzubringen. (scd)

Die Sicht der Dinge

Rückkehr zu den Wurzeln

Erfreulich ist ausserdem das Erscheinen von «Die Sicht der Dinge» von Jiro Taniguchi, das wieder einmal daran erinnert, dass es durchaus auch Mangas ausserhalb des Kulleraugenmusters gibt, die sich auf hohem Niveau mit Erwachsenenthemen beschäftigen (Carlsen, ca. 30 Franken). Inhaltlich geht es analog zum bereits erschienenen Band «Vertraute Fremde» um ein gedankliches Eintauchen in die Vergangenheit – um daraus verändert für die Gegenwart und die Zukunft hervorzukommen. Mitte Juni wird der dritte Taniguchi-Band «Träume vom Glück» erscheinen. Einsteigen lohnt sich. (scd)

Als die Zombies die Welt auffrassen

Die Nacht der lieben Untoten

Gelungen ist auch «Als die Zombies die Welt auffrassen» von Jerry Frissen und Guy Davis, dem Zeichner des «Hellboy»-Spin-offs «B.U.A.P.» (Cross Cult, ca. 42 Franken): Der grossformatige Hardcover-Band «ist eine bitterböse Persiflage auf das Genre und gleichzeitig eine Satire, die zeigt, dass nur ein Wesen noch dümmer ist als ein hirnloser Zombie: der Mensch.» (Pressetext)

 

Allen George-A.-Romero-Verehrern kann diese herrlich groteske und mit Liebe zum Detail gestaltete Zombie-Mär wärmstens ans Herz gelegt werden. (scd)

Aarrrgh!

Plattform für den Comic-Nachwuchs

Seit Anfang März ist die zweite Ausgabe von «Aarrrgh!» erhältlich. Es handelt sich dabei um ein Projekt des gleichnamigen Vereins aus Burgdorf, der es sich zum Ziel gesetzt hat, «den Comic-Nachwuchs in der Schweiz und im deutschsprachigen Raum zu fördern». Der 74-seitige, schwarzweiss gedruckte Band, der für 8 Franken bestellt werden kann, enthält 12 Geschichten von jüngeren und älteren Autoren und Zeichnern – Männern und Frauen. Die Qualität kann sich dabei durchaus sehen lassen.

 

Das Wichtigste am Ganzen ist aber wohl der Raum zum Experiment, zum ersten Versuch, zur ersten Erfahrung mit dem Publizieren von Comics, der mit «Aarrrgh!» eröffnet wird, wobei idealerweise auch eine Feedbackschlaufe, eine Möglichkeit zur Diskussion dazugehören müsste. Bleibt bloss noch zu hoffen, dass sich das Projekt ein hübsches Weilchen hält und in der Schweizer Comiclandschaft von anderen Gleichgesinnten auch tatsächlich wahrgenommen wird. (scd)

 

Zur Aarrrgh!-Homepage »

Die gesammelten Abenteuer des Grosswesirs Isnogud 1

«… anstelle des Kalifen!»

Mit der Wiederveröffentlichung der Reihe «Die Abenteuer des Kalifen Harun al Pussah» meldet sich ein sympathischer Funny aus der Feder von René Goscinny und Jean Tabary aus den 60ern/70ern in Hardcover zurück (Ehapa, ca. 50 Franken). Der erste Band von «Die gesammelten Abenteuer des Grosswesirs Isnogud» vereint die drei ersten Storys rund um den hakennasigen Grosswesir und seinen dümmlichen Handlanger Tunichgut, der geradezu besessen ist von der Idee, den naiv-gutgläubigen Harun al Pussah vom Wüstenthron zu stossen und somit «Kalif anstelle des Kalifen» zu werden. Keine Frage, dass dieses Vorhaben natürlich immer und immer wieder zum Scheitern verurteilt ist. Ob man diese Parodie auf die Geschichten aus 1001 Nacht tatsächlich als «Klassiker der Comicliteratur» (Pressetext) bezeichnen will, sei dahingestellt – Spass macht die Lektüre auf jeden Fall. (scd)

Preacher 3: Sie kamen nach Masada

Gefallene Engel

Dieser Tage ist übrigens noch die Re-Edition von «Preacher 3: Sie kamen nach Masada» von Garth Ennis und Steve Dillon erschienen (Panini, ca. 50 Franken).

 

Von der gewiss formidablen Aufmachung einmal abgesehen (sofern man sich nicht am Hochglanzpapier stört), könnte man sich höchstens fragen, ob es nicht langsam Zeit für aussagekräftigere, näher am jeweiligen Storyteil liegende Coverbilder wird. (scd)

Kommentar schreiben

Kommentare: 0