Gipfel der Götter 5

Bergsteiger-Drama am Magnetberg

Der Fotograf Fukamachi folgt dem charismatischen Bergsteiger Habu auf dessen speaktakulärem Alleingang ohne Sauerstoffgerät auf den Mount Everest. Wie der Extremsportler die letzte, enorm schwierige Etappe meistert, kann Fukamachi, der sich auf dem beschwerlichen Abstieg zum Basislager befindet, nur aus der Ferne mit der Kamera beobachten. Das Wetter schlägt um – und der stecknadelgrosse Punkt an der Bergwand lässt sich im Sucher bald nicht mehr finden. Die Tage vergehen – Habu kommt nicht zurück. Fukamachi reist gedrungenermassen nach Tokio zurück, wo er wegen seiner Bilder des ohne Bewilligung der Regierung durchgeführten Rekordversuchs gefeiert wird. Doch er findet nicht zu seiner inneren Ruhe…

 

Weshalb die Manga Novel «Gipfel der Götter», von der jetzt der fünfte und abschliessende Band auf Deutsch vorliegt, im Jahr 2001 vom japanischen Kultusministerium am Festival für Kunst und Medien mit dem 1. Preis für den besten Manga ausgezeichnet worden, lässt sich bereits nach einer Lektüre der ersten Seiten erahnen (Schreiber&Leser, zirka 31 Franken). «Kamigami no itadaki» – so der Originaltitel – von Jiro Taniguchi nach dem Roman von Baku Yumemakra ist nicht einfach eine x-beliebige weitere Bergsteiger-Saga: Vielmehr handelt es sich um ein komplexes Panoptikum, das in detaillierter, aber trotzdem immer aufs Wesentliche reduzierter Grafik das Phänomen der unglaublichen Faszination, die von der Bergwelt ausgeht, beleuchtet. Und das Taniguchi-charakteristisch auf hochemotionale Weise. Auch wenn sich das 1600 Seiten starke Werk bestimmt erst vollumfänglich durch eine Gesamtlektüre erschliessen und würdigen lässt, funktioniert der fünfte Band – von einigen Leerstellen beim Verständnis von Einzelheiten der Geschichte abgesehen – unglaublich gut auch als Einzelband. Ein (weiteres) Meisterwerk Taniguchis, von dem übrigens voraussichtlich im April bei Carlsen sein wohl bekanntester Comic «Der spazierende Mann» erscheint, jedoch im Gegensatz wie üblich beim Grossverlag in gespiegeltem Druck. (scd)

 

Die bei Schreiber&Leser erschienenen Werke Taniguchis mit Leseproben »

 

Mehr über die Titel der «Shodoku»-Reihe gibts im ausführlichen Schwerpunkt »

Bite Club

Vampirische Mafia-Saga

Leto Del Toro ist ein katholischer Priester – und ein Vampir. Als ob diese Kombination nicht schon problematisch genug ist, stirbt auch noch sein Vater und vererbt ihm die Kontrolle über den grössten Mafia-Clan von Miami. Aus Gewissensgründen will Leto die Drogengeschäfte der Familie aufgeben. Doch diese Rechnung hat er ohne seine gnadenlose Schwester Risa gemacht.

 

«Bite Club» (Panini, zirka 30 Franken) bietet – trotz der Vampire – ein relativ frisches Szenario. Denn in diesem alternativen Miami sind die Blutsauger «Opfer» einer durch Fledermäuse übertragenen Mutation und werden von der Gesellschaft eher geschmäht als gefürchtet. Die mit diversen amerikanischen Superheldencomics bekannt gewordenen Autoren Chaykin («The Shadow») und Tischman («Green Lantern») sowie Zeichner Hahn («Fables») kreieren eine Mafia-Saga, bei der jeder gegen jeden intrigiert und die auch ohne den Vampirismus genug Spannung erzeugen könnte. Neben dem Hauptthema fällt der Comic durch die unterschiedlichen Nebenhandlungen auf. Zu nennen wären vor allem psychische Elemente wie dysfunktionale Familienstrukturen oder Letos Zwiespalt bei der Entscheidung zwischen dem Glauben und seiner Familie. Den Rest besorgt dann die gehörige Portion «Sex & Crime».

 

Die Zeichnungen basieren jeweils szenenweise auf einem Grundton, auf welchen sich alle Farben dieser Seiten beziehen. Dieses Stilmittel trägt einen Grossteil zur stimmigen Atmosphäre dieses Thrillers bei. Die Panelgestaltung ist konservativ rechteckig und kleinformatig gehalten, als ob dadurch dem Inhalt der Vorrang gelassen werden sollte. Dadurch wirken die zweiseitigen Ausbrüche aus dem Muster besonders dramatisch. Der Zeichenstil ist eher schlicht, harmoniert aber äusserst gut mit dem Inhalt. Erstaunlich wirkt nur, dass der Zeichner zu Beginn mit unglaublich detaillierten, zweiseitigen Bildern brilliert und gegen Schluss vor allem bei Panels mit halbtotaler Perspektive oft nur schemenhafte Gesichter und Körper zu Stande bringt. Schlussendlich offenbart sich «Bite Club» jedoch als vielschichtige Studie über eine Familie im organisierten Verbrechen, die mit dem überraschenden Finale schonungslos zeigt, welche «Tugend» es in diesem Milieu braucht: Skrupellosigkeit. (ras)

Liebe und andere Lügengeschichten

Miniaturen vom Lieben und Entlieben

«Im Moment habe ich ein Blatt mit lauter Assen. Ich gebe mein Geld mit vollen Händen aus. Es läuft einfach super. Dabei arbeite ich nicht mal. Wie ich das anstelle?» So die Stimme des jungen Ich-Erzählers Ogaswara in der siebenseitigen Geschichten «Heavy und Pop (Male)». Discolichter, Drinks, Hahn im Korb, lockere Stimmung. Doch das Gigolo-Leben hat seinen Preis: «Ich muss jetzt da durch… Ich besorg’s ihr. Das volle Programm. Das Gekeuche der Alten hört sich an wie das Glucksen von Hennen. Ich krieg Depressionen und denke an meine Oma.» Was am Schluss bleibt: «Trotzdem sind die Scheinchen nicht zu verachten! Und deshalb mache ich wohl doch weiter.» Und im Schlusspanel zu einer Mitfigur: «Demnächst ziehe ich in eine Dreizimmerwohnung.»

 

Dies die knappe Inhaltsangabe einer der insgesamt 23 Short Stories aus dem im Jahr 1997 zum ersten Mal erschienenen Manga «Liebe und andere Lügengeschichten» der heute 38-jährigen Kiriko Nananan (Schreiber&Leser, Reihe «Shodoku», zirka 27 Franken). In der ebenfalls auf Deutsch erhältlichen, vielgelobten und inzwischen verfilmten Graphic Novel «Blue» aus dem Jahr 1996 hat die japanische Autorin eine lesbische Liebe thematisiert. Um Liebe und Sex in ihrem ganzen Facettenreichtum geht es auch in diesem nun übersetzt vorliegenden Nachfolgewerk (Originaltitel: «Itaitashii Love»). Im Vergleich dazu erstaunt die zuweilen unverblümte Ausdrucksweise der von der Optik ausnahmslos magersüchtig anmutenden Charaktere sowie die explizite Darstellung, die jedoch nie ins Pornografische oder Billige abdriftet. Vielmehr versteht es Nananan meisterlich mit ihrem äusserst reduktionistischen Strich und der Auswahl ungewöhnlicher Ausschnitte*, Momente und Stimmungen einzufangen, die von einer ganz speziellen Melancholie durchzogen sind. Skizziert wird in dieser gezeichneten Poesie ein fragiler Menschentypus, der mit seiner tiefer Sehnsucht nach Zuneigung und Wärme immer sehr nahe am Abgrund steht. Zu guter Letzt bleibt die Frage, wie authentisch das Bild sein mag, das Ananan von ihrer in den 90ern jungen Generation einfängt. (scd)

 

* «Liebe und andere Lügengeschichten» stellt übrigens geradezu ein Musterbeispiel dar, um die vom Comicologen Scott McCloud in «Comics neu erfinden» aufgestellte These, wonach in Manga Panelübergänge «Von Gesichtspunkt zu Gesichtspunkt» im Vergleich zu westlichen Comics übermässig häufig vorkommen, zu untermauern.

 

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The Goon 1

Witziger Gangster-Zombie-Wahnsinn

Ein eher wenig intelligenter, krimineller Typ fürs Grobe: Ungefähr so viel ist unter dem englischen Ausdruck «Goon» (Cross Cult, zirka 27 Franken) zu verstehen. Genauso lässt sich der gleichnamige Protagonist der Serie charakterisieren. Auf den ersten Blick kein Sympathieträger, doch neben Zombies, skrupellosen Agenten und seinem durchgeknallten Assistenten Franky (Lieblingsspruch: «Messer ins Auge!») ist er das geringste Übel. Die Story ist schnell erzählt: Der Goon hält eine fiktive amerikanische Stadt der 1930er-Jahre von den untoten Horden des Zombie-Priesters sauber. Leider tauchen dadurch seine menschlichen Gegner, die er ins Jenseits befördert, bald wieder auf – obendrein machen ihm korrupte Behörden zu schaffen.

 

Optisch ist «Krudes Zeug» der erste Band des Debüts von Eric Powells in fahlen Farben gehalten und fällt vor allem durch seinen uneinheitlichen Stil auf: So werden einige Figuren detailliert dargestellt, aber Franky muss mit einem minimalistischen Eierkopf auskommen. Auch sonst gehören die Zeichnungen nicht wirklich zum Besten, was das Comic-Genre zu bieten hat. Die Seitengestaltung mit ihren kleinformatigen, fast durchwegs rechteckigen Panels wirkt konservativ und bricht nur äusserst selten aus dem Schema aus. Doch die Optik ist sicher nicht der Grund für den Riesenerfolg der Serie (bisher fünf Eisner-Awards). «The Goon» lebt von seiner abgedrehten Situationskomik und dem derben Humor. Wenn der dramatische und wortgewaltige Auftritt eines Vampirs mit einem lakonischen «Tucke» inklusive Faustschlag quittiert wird, erkennt man, was die Fans an der Serie finden. Die Gags am Laufmeter werden die Lachmuskeln der meisten Leser strapazieren, sensible Gemüter hingegen werden an den oft mit (brutaler und geschmackloser) Gewalt verbundenen Spässen keine Freude haben. Fraglich bleibt nur, wie lange der Humor die dürftige Story zu kaschieren vermag. Band 2 ist für den Februar geplant. (ras)

 

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Jahrhundert einer Ratte

Zeitgeschichte(n) aus Rattensicht

Eine scheinbar unsterbliche Ratte (Kings «Green Mile» lässt grüssen) streift durch die Weltgeschichte des frühen 20. bis zum beginnenden 21. Jahrhundert – «zwischen Lenin, Jazz & Harry Lime, von Casablanca nach Kyoto» (Untertitel). Ihr Abenteuer beginnt am 8. November 1917 in Petrograd, wo sie von den Bolschewicki aus dem verlassenen Zarenpalast verjagt wird. Weiter gehts mit dem Schiff nach Paris, wo die Ratte ein paar Jahre bei Picasso und anderen Künstlern verbringt, bevor es sie mit einem Immigrantenschiff nach New York verschlägt.

 

Der Autor Marcus Herrenberger empfiehlt «Jahrhundert einer Ratte» (Minedition, zirka 51 Franken) «allen, die sich für Geschichte aus ungewöhnlichen Blickwinkeln interessieren». So weit, so gut. Nur: Tiere als Beobachter der Menschenwelt einzusetzen, ist beileibe nichts Neues, der Einsatz der Figur der Ratte schon gar nicht (zumal das Tier selber nicht zu Wort kommt, sondern ein kommentierender Erzähler). Durch die Erzählstrategie, den Nager immer mit bekannten Persönlichkeiten in Kontakt zu bringen, wird zudem in den ersten Zweidritteln des Bandes, die bereits 1992 erschienen sind, beinahe ausschliesslich auf die traditionelle Schulbuch-Geschichte eingegangen, die auf Berühmtheiten und Grossereignisse fokussiert. Dies ändert sich, je mehr die Odyssee in der Gegenwart (des sich auch selber als Figur einführenden Autors) ankommt.

 

Trotz einiger Schwächen lohnt sich eine Lektüre des Bildbandes (ob das Genre Comic taugt, dürfte auf Grund der  und strikten Trennung von Bild und Text strittig sein): Herrenberg versteht es mit seinen detaillierten Bildern vorzüglich, Stimmungen zu transportieren und liefert auf relativ schlanken Raum eine interessante Rückschau auf das vergangene Jahrhundert. Interessant ist auch die Option (die letzte, nur zur Hälfte bezeichnete Seite deutet dies an), dass der 1955 geborene Herrenberger in den kommenden Dekaden bestimmt noch das eine oder andere Panel ansetzen könnte. (scd)

Die Wolke

Der unsichtbare Tod – ganz in der Nähe

Ravensburger: Die Gründe dafür mögen diffus sein – doch (zumindest) für den erwachsenen Leser dürfte dieser Verlag eher mit Puzzles und Brettspielen als mit Comics verbunden werden und eine hier erschienene «Graphic Novel» (Bezeichnung auf dem Cover) einen entsprechend schweren Stand haben, überhaupt angelesen zu werden. Nicht ganz zufällig fehlt denn auch ein Eintrag im Comicguide, dem grössten Comicverzeichnis im deutschsprachigen Raum. Doch wie so oft tut man gut daran, seine Vorbehalte abzulegen und möglichst vorurteilsfrei an ein solches Werk heranzugehen (und es auch noch ein halbes Jahr nach seinem Erscheinen zu rezensieren).

 

Denn eigentlich müsste man schon hellhörig werden – Verlag hin oder her: Zum einen handelt es sich bei «Die Wolke» (zirka 29 Franken) um eine Adaption des gleichnamigen Buches aus dem Jahr 1987 (ein Jahr nach Tschernobyl), das unter anderem mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet und 2006 verfilmt wurde. Autorin ist die 1928 geborene und nach wie vor als couragierte Schriftstellerin aktive Gudrun Pausewang, deren Markenzeichen unorthodoxe Kinder- und Jugendbücher wie etwa «Der Räuber Grapsch» sind. Zum anderen handelt es sich um Anika Hage, die den Roman zum Comic gemacht hat. Das erst 23-jährige Talent aus Deutschland zeichnet seit 2003 für den Verlag Tokyopop die bislang in zwei Sprachen übersetzte Manga-Serie «Gothic Sports», von der soeben der vierte Band erschienen ist.

 

Dass «Die Wolke», in dem die Erlebnisse eines jugendlichen Strahlenopfers nach einem (fiktiven) Unfall in einem (real existierenden) bayerischen Atomkraftwerk erzählt werden, ausgerechnet im Manga-Stil adaptiert worden ist, scheint auf den ersten Blick paradox. Vor dem Hintergrund, dass damit vor allem ein jugendliches Publikum angesprochen werden soll, macht dies aber wiederum durchaus Sinn. Ohne die Buchvorlage zu kennen, lässt sich konstatieren, dass Hage einen guten Job geleistet hat: Entstanden ist eine hochemotionale Geschichte auf der Sichthöhe der konkreten Erfahrungswelt des Lesers, die einen betroffen zurücklässt. Zu kritisieren ist höchstens, dass nirgendwo trotz der Rahmung durch Fotos von Tschernobyl und historische Textdokumente expliziert wird, dass es sich um die Erzählung eines fiktiven Falls und nicht eines authentischen, wie ein jugendlicher Rezipient ohne zusätzliche Informationen durchaus annehmen könnte, handelt. (scd)

Strain 1: Blutsbande

Sanftmütiger Mustang sieht rot

Der aus einer einflussreichen Kusaka-Familie stammende Mayo wird Opfer einer Intrige: Man hat den Jüngling mit dem Engelsgesicht mit untergeschobenen Drogen nach Malaysia geschickt, was einem Todesurteil gleichkommt. Doch Mayo überlebt, malt fortan Bilder (ausschliesslich mit Pferdemotiven) – und nimmt für fünf Dollar Mordaufträge an. Bis er eines Tages von seiner Vergangenheit eingeholt wird und den Spiess umdreht. Zugegeben: Gerade innovativ ist «Strain» (Schreiber&Leser, zirka 24 Franken) von der Story mit dem gängigen Vendetta-Motiv her wirklich nicht.

 

Trotzdem dürfte sich die Lektüre für alle Anhänger kompromissloser, intelligent aufgemachter und visuell überzeugend umgesetzter Action – die übrigens nicht mit expliziten Nacktszenen* und Darstellungen von Gewalt an Frauen geizt – durchaus lohnen. In Szene gesetzt wurde die Gewaltorgie nämlich vom Duo Buronson und Ryoichi Ikegami, die bereits mit «Sanctuary» einen internationalen Erfolg gelandet haben. Auf das Konto des Zeichners Ikegami, der zentrale Stellen formal hervorhebt, indem er mit Kohle zeichnet, geht zudem auch der noch erfolgreichere, als Anime und als Realfilm adaptierte Thriller «Crying Freeman». (Beide Serien sind ebenfalls bei Schreiber & Leser erschienen, jedoch inzwischen vergriffen.) Für Fans des Genres ist «Strain» also ein sicherer Treffer. Die Frage stellt sich letztlich höchstens, ob für die Erzählung einer solchen Story tatsächlich über 1000 Seiten notwendig sind (bei «Blutsbande» handelt es sich um den ersten von fünf Bänden). (scd)

 

* Auffallend sind dabei die weiss ausgesparten Geschlechtsteile, was bei einer Oralverkehr-Szene einen doch etwas gar merkwürdigen Nachgeschmack hinterlässt, ja beinahe pornografischer anmutet, als wenn alles gezeigt würde.

 

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Im Museum – Die Treppe zum Himmel

Odyssee durchs kulturelle Gedächtnis

Für den Rezensenten stellt es wohl eine der grössten Herausforderungen dar, ein Werk fair zu besprechen, wenn man, aus welchem Grund auch immer, voreingenommen ist. So geschehen in meinem Fall beim unverlangt eingegangen – doch selbst in diesem Punkt bin ich mir mittlerweile nicht mehr ganz schlüssig – Band «Im Museum – Die Treppe zum Himmel» (Reprodukt, zirka 32 Franken). Es bieten sich drei, bei gutem Willen vier Strategien an: Entweder man bleibt gänzlich auf der Metaebene und beleuchtet das Phänomen an sich oder bespricht das (meist nicht ausgelesene) Buch (mit Vorliebe ultrakurz) auf einer rein deskriptiven Ebene. Oder aber – die Hardliner- respektive Angsthasen-Variante, je nach Perspektive –, man bespricht den Comic gar nicht, behält Stillschweigen und hofft, es habe keine Auswirkungen auf den zukünftigen Presseexemplarlieferungsfluss des entsprechenden Verlags.

 

Bliebe höchstens noch die Möglichkeit, sich nach bestem Wissen und Gewissen auf das Werk einzulassen – trotz allem. Ein Versuch, mit einer knappen Inhaltsangabe beginnend: Ein Geschwisterpaar – von der Alterskonstellation Hänsel und Gretel gar nicht einmal unähnlich – wird eines Abends in einem Museum eingeschlossen. Dies stellt den Ausgangspunkt dar für zahlreiche Abenteuer, wobei die Grenzen zwischen Realität und Imagination schon bald gänzlich verschwimmen. Dem deutschen Autorduo Sascha Hommer und Jan-Frederik Bandel ist mit «Im Museum» ein intelligent getexteter Band gelungen, dessen Inkohärenz und Fokussierung auf Pointen vor dem Hintergrund verständlich wird, dass es sich dabei um eine Sammlung täglich in der «Frankfurter Rundschau» erschienener Strips handelt. Eine gute WC-Lektüre, aber das Ganze als 130-seitiges, in sich geschlossenes Werk zu taxieren und zu würdigen, wie das ausführlich im Nachwort geschieht, geht wohl doch etwas weit. (scd)

 

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Jenna Jameson's Shadow Hunter

Wirre Reise durch die Schattenwelt

Allen die sich für den Band wegen des Namens Jenna Jameson interessieren, sei vorweg gesagt: Der Inhalt ist nicht freizügiger als das Titten-, äh, Titel-Bild. Das Leben der New Yorkerin Jezzerie Jaden (deren Äusseres und Initialen sich offensichtlich an Jameson orientieren) ist ein Trauerspiel. Diese kann die Miete nicht zahlen, ihr Freund geht fremd, und zudem plagen sie furchterregende Visionen. Als die Schattenwesen ihrer Gedanken real werden und ihre Heimatstadt angreifen, taucht diese in die Tiefen der Schattwelt ab und erkennt ihre wahre Herkunft.

 

«Shadow Hunter» (Panini, zirka 28 Franken) ist der aktuelle Band aus der «Virgin»-Reihe, in denen sich Persönlichkeiten aus dem Filmfach als Szenaristen versuchen. Diesmal ist die ehemalige Porno-Darstellerin Jenna Jameson an der Reihe. Von der Gestaltung her gibt es – wie bei den anderen Comics der Reihe – nichts auszusetzen. Der indische Zeichner Mukesh Singh brilliert wie schon bei Guy Ritchies «Game Keeper» mit seinem detaillierten, die ganze Farbpalette nutzenden Zeichnungsstil. Ebenfalls lobenswert ist die dynamische Panelstruktur, welche nie in einem starren Schema verharrt und oft doppelseitige Bilder beinhaltet. Abstriche hingegen müssen bei der Geschichte selbst gemacht werden: Die Odysee der Protagonistin hat weder einen richtigen Anfang noch ein würdiges Ende. In einer klischierten Mythologie, bei der Gut und Böse sich einmal mehr bekämpfen, muss die Hauptfigur ihre Seite wählen. Die finale Entscheidung von Jaden, einen dritten Weg zu nehmen, ist nur die Krönung der spätpubertären Gedanken (einer Protagonistin in den Mittzwanzigern), aus denen die Geschichte gewoben ist. Zu allem Überfluss erwarten den Leser am Ende des Comics noch unzählige Textseiten, in denen die Hauptfigur über sich selbst reflektiert und deren Inhalt es vollbringt, die Leser gleichzeitig zu verwirren und zu langweilen.

 

Von der üblen Story vermag Zeichner Mukesh, dessen Talent hier auf eine unglaubliche Art vergeudet wird, auch nicht mit den unzähligen Perspektiven, die aufs Dekolleté und unters Röckchen der Protagonistin schielen, abzulenken. Den vorliegenden Band als seichte Unterhaltung zu kennzeichnen, ist noch ein Kompliment. Viel eher handelt es sich hier um Zerstörung von Lebenszeit. Diesen optisch ansprechenden Comic werden nur die wenigsten geniessen können. Womit die Analphabeten und Einhandleser unter uns gemeint sind. (ras)

 

Besprechungen der beiden früheren «Virgin»-Comics » 

Die Reihe «Virgin» im Überblick »

Redhand 2: Die Waffe der Götter

Altertümlicher Held mit Atomwaffen

Der geheimnisvolle Protagonist Redhand geht weiter auf die Suche nach seiner Identität. Im zweiten Band «Die Waffe der Götter» (Cross Cult, zirka 24 Franken) von US-Autor Kurt Busiek («Astro City») und Zeichner Mario Alberti, ist dieser als Hafenarbeiter untergetaucht und geniesst sein einfaches Leben. Bis Redhand ein «uraltes» Artefakt findet, das auf ihn zu reagieren scheint – nämlich ein nuklear betriebenes Gewehr.

 

Der grösste Pluspunkt der Geschichte bleibt ihr interessantes Szenario – eine mittelalterliche Gesellschaft voller Magie und Götter, die auf den Trümmern einer uralten, aber hoch technologisierten Zivilisation aufgebaut wurde. Im Gegensatz zum ersten Band fällt die bessere Ausgewogenheit von Kampfszenen und Handlung auf. Grössere Abwechslung beim Paneldesign und die enorm detaillierten Hintergrundzeichnungen überzeugen auch beim optischen Aspekt. Zwischen den beiden Bänden ist eine enorme Verbesserung festzustellen, welche die Erwartungen an die nächsten Bände hebt. (ras)

 

Besprechung des ersten Bandes auf Comic-Check »

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