Akira Club

Ein Blick hinter das Mammutwerk

"Akira" von Katsuhiro Otomo war die erste auf Deutsch veröffentlichte Manga-Serie. Die verstörende Negativutopie beeindruckt auch über 25 Jahre nach ihrem ersten Erscheinen in Japan durch ihr dynamisches Artwork und eine Story um die unheilvolle Verknüpfung von Macht und Technologie, welche den Umfang von über 2000 Seiten durchaus gerechtfertigt scheinen lässt. Nachdem das Mammutwerk zuerst in 20 Heften in Farbe und später in einer preiswerteren, sechs Bände umfassenden S/W-Ausgabe erschienen ist, gibt es nun 12 Jahre nach der Erstveröffentlichung endlich auch den Sekundärband "Akira Club" auf Deutsch (Carlsen, zirka 50 Fanken).

 

Auf 256 Seiten sind zahlreiche Illustrationen aus der Serie und der japanischen Magazinveröffentlichung sowie Fotos, Promo-Illustrationen, Merchandise-Artikel, kommentierte Skizzen und Studien versammelt, die einen Blick in die Entstehung von "Akira" ermöglichen. Dabei wird der grosse Stellenwert, der Comics im Fernen Osten beigemessen wird, wieder einmal überdeutlich: Während "Akira" hierzulande nach wie vor nur von einem Nischenpublikum wahrgenommen worden ist, hat sich der Protagonist aus "Neo-Tokyo" längst zum Massenphänomen entwickelt. (scd)

 

Die «Akira»-Bände im Überblick »

Emily the Strange

Dunkel, verloren und zu Tode gelangweilt

Jüngeren Datums und bereits auch schon zum Kult geworden ist die von Buzz Parker gezeichnet Serie "Emily the Strange" (Achterbahn, zirka 33 Franken): Die Protagonistin – ein 13-jähriges Mädchen mit stirngefransten, langen schwarzen Haaren - hat mit ihrer pessimistischen und eigenwilligen Weltsicht vor allem Anhänger aus der Gothic- und No-Future-Szene gefunden.

 

Dass der Charakter inzwischen derart populär geworden, kommerziell ausgeschlachtet und sowohl von links- als auch von rechtsextremen Gruppierungen für deren Zwecke vereinnahmt worden ist, scheint dabei der Begeisterung für die selbsternannte "Königin der Langeweile" keinen Abbruch zu tun. Der Zeichenstil ist ausgesprochen reduziert; einmal von Schwarz abgesehen kommt in den Kürzest- und Minimalplot-Storys jeweils nur noch eine andere Schmuckfarbe zum Zug. Auch ein Gastauftritt von Schock-Rocker Marylin Manson als Comicfigur fehlt nicht. Ein Phänomen für sich. (scd)

Niemalsland

Odyssee durch Unter-London

Dass, überall wo Neil Gaiman auf dem Buchdeckel steht, intelligenter Lesespass erwartet werden darf, lässt sich an "Niemalsland" des britischen Über-Autors wieder einmal eindrücklich illustrieren (Panini, zirka 36 Franken). Anders als beim Referenzwerk "Sandman" handelt es sich hier jedoch um eine von Mike Carey geschriebene und von Glen Fabry ins Bild gesetzte Romanadaption Gaimans. Zum Plot: Richard Mayhew ist ein ganz gewöhnlicher junger Mann - bis er eines Tages einer geheimnisvollen Frau hilft und so nach "Unter-London" gerät, eine Metropole unter der Metropole. Realität und Imagination beginnen sich daraufhin zunehmend miteinander zu vermengen. Durch diese Autorstrategie lässt sich das vielschichtige Werk auf verschiedene Arten lesen.

 

Was sich am Œuvre des ebenso bedeutenden Comicautors Alan Moore ("Watchmen") beobachten lässt, zeigt sich - bei allen positiven Seiten des Werks, welches durchaus auch Fantasy- Abstinenzlern ans Herz gelegt werden kann - auch bei "Niemalsland": Ob man einen Comic mag oder nicht, hängt hochgradig vom Artwork ab - Glenn Fabry hat dieses punktgenau im Stil der aktuellen Serien aus dem Hause "Vertigo" gestaltet. Da hätte der progressivere Stil etwa eines Dave McKean, mit dem Gaiman bei "Die Schwarze Orchidee" zusammengearbeitet hat, zweifelsohne eine passendere Bildumgebung geboten. (scd)

Stardust – Der Sternenwanderer

Herr des Sternstaubs

Ebenfalls aus der Gaiman'schen Schmiede stammt der Band "Stardust – Der Sternenwanderer" aus dem Jahr 1999, der nun auf Grund der gleichnamigen, Ende September in der Schweiz angelaufenen und prominent besetzten Filmadaption auch auf Deutsch erschienen ist (Panini, zirka 36 Franken).

 

Obgleich in einem Comicverlag herausgebracht, handelt es sich bei der Fantasy-Geschichte im Stile Tolkiens um einen Roman, der mit zahlreichen, stimmigen Illustrationen aus der Feder Charles Vess' angereichert worden ist - eine äusserst gelungene Verbindung von Text und Bild. (scd)

Ghost Rider 1

Raser mit brennendem Schädel

Herrlich trashig zu und her geht es in der Compilation "Ghost Rider" von Gary Friedrich/Mike Ploog und Tom Sutton zu, in der die ersten Hefte des Höllenbikers mit dem lodernden Totenschädel aus den frühen 70er-Jahren zum ersten Mal auf Deutsch nachgelesen werden können (Panini, zirka 41 Franken).

 

Die sieben Episoden setzen mit ihrer unaufgeregten Erzählweise und dem Vierfarben-Layout, welches an das so genannte "Goldene Zeitalter" der Superheldencomics erinnert, einen wohltuenden Kontrapunkt zur eher enttäuschenden Verfilmung mit Comic-Maniac Nicolas Cage als Töfffahrer aus der Hölle. (scd)

A History of Violence

Kribbel-Vorlage zu Cronenberg-Film

US-Regisseur David Cronenberg ("Die Fliege") ist zurzeit wieder in aller Munde. Da lohnt sich ein genauerer Blick auf die Arbeitsweise des Querdenkers. Wie in seinem aktuellen Film "Eastern Promises" spielte der aus "Herr der Ringe" bekannte, charismatische Schauspieler Viggo Mortensen bereits in Cronenbergs "A History of Violence" die Hauptrolle. Eher weniger bekannt ist, dass dieser Film, in dem ein Ex-Killer von seiner Vergangenheit eingeholt wird, von einer gleichnamigen Graphic Novel von John Wagner und Vince Locke adaptiert wurde (Panini, zirka 74 Franken).

 

Ein Vergleich der beiden Versionen ist hochinteressant: Anders als im Film hat der Comic-Protagonist selber weit weniger Dreck am Stecken, hat dieser doch mit den in jungen Jahren begangenen Morden an Mafiosos für eine Art ausgleichende Gerechtigkeit gesorgt. Die sehr explizit und dominant in Szene gesetzten Sexszenen sind vollumfänglich Zutat Cronenbergs wie auch die präzise Herausarbeitung des Motivs der Verwandlung, das seit "Die Fliege" fest zum Repertoire des eigenwilligen Regisseurs zählt. Im Gegenzug kommt der Schluss der Vorlage um ein Vielfaches überraschender und grausamer daher. Grafisch präsentiert sich der leider etwas überteuerte Comic in einem bewusst unspektakulär gehaltenen Kugelschreiber-Skizzen-Look. (scd)

Vertraute Fremde

Auch Mangas können Graphic Novels sein

Der Manga-Hype ist zwar etwas abgeflaut - trotzdem haben sich japanische Comics mittlerweile einen festen Platz in den Programmen deutscher Verlage eingenommen und sind aus westlichen Comic-Landschaft kaum mehr wegzudenken. Dass es sich in ihnen nicht immer nur um verliebte Teenies oder Fantasy-Helden im Kulleraugen-Stil handeln muss, zeigt das erstmals 1997 erschienene Werk "Vertraute Fremde" von Jiro Taniguchi (Carlsen, zirka 35 Franken).

 

Auf über 400 Seiten lässt der Autor in einer Grauton-Grafik, die sehr an den Meilenstein "Barfuss durch Hiroshimo" von Keiji Nakazawa gemahnt, seinen Protagonisten in die eigene Vergangenheit abtauchen. Dieser steigt nämlich in den falschen Zug - und kommt prompt am richtigen Ort an: in seiner Geburtsstadt Kurayoshi. In einer Art realem Traum findet sich der Heimgekehrte plötzlich in seinem Körper als 14-Jähriger wieder, zurückversetzt in die 60er-Jahre. Ausgestattet mit den Erfahrungen als Erwachsener, versucht er daraufhin zu ergründen, weshalb sein Vater seinerzeit abrupt und ohne ersichtlichen Grund die Familie verlassen hatte. Taniguchi gelingt mit "Vertraute Fremde" ein äusserst stimmungsvolles Zeitporträt und Gesellschaftsbild. Man darf sich auf die weiteren Taniguchi-Bände der angekündigten Edition freuen. (scd)

The Red Star 2: Nokgorka

Formidable Science-Fiction-Saga geht weiter

Letztes Jahr schlug ein Comic wie eine Bombe ein: Die Rede ist von "The Red Star", ein von einem Künstler-Kollektiv unter der Federführung von Christian Gossett geschaffenes Werk, das mit seiner Verquickung von Handzeichnung und Computergrafik zumindest im formalen Bereich neue Massstäbe setzte, aber auch inhaltlich zu überzeugen wusste. Mittlerweile wird an der Verfilmung des Stoffs, der zwischen intelligenter Kriegs- und Fantasystory gekonnt hin- und herpendelt, gewerkelt. Zudem ist der zweite Band der Saga erschienen (Cross Cult, zirka 43 Franken).

 

Die zum Teil ganz- und gar doppelseiten Panels und etwaigen querformatigen Einschübe entzücken nach wie vor, doch der ganz grosse Aha-Effekt bleibt nach der Lektüre des ersten Bandes - obwohl das Artwork keineswegs Patina angesetzt hat - verständlicherweise aus. So oder so lohnt sich auf Grund der progressiven Erzähltechnik und des wirklich grundsoliden Plots Einstieg in die Serie auch für Neulinge auf jeden Fall. (scd)

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