Global Frequency 1: Planet in Flammen

Die Welt ist (wieder einmal) in Gefahr

Den Anfang macht «Global Frequency 1: Planet in Flammen» (Panini, zirka 30 Franken) vom Autor Warren Ellis, der vor allem mit seiner frechen, sozialkritischen Dystopie «Transmetropolitan» um den zynischen Reporter Spider Jerusalem von sich reden gemacht hat. In seinem neuesten Werk geht es um die Organisation Global Frequency, die über 1001 mit den untschiedlichsten Fähigkeiten ausgestattete Agenten auf der ganzen Welt verfügt. Immer wenn alle anderen Mittel versagen - Superhelden werden hier (bewusst?) ausgeklammert -, ist die von der geheimnisvollen Miranda Zero geleitete Global Frequency am Zug: Gleich ob es sich nun um einen verrückt gewordenen Cyborg, einen tödlichen Virus mitten in London oder um ein schwarzes Loch handelt, das sich in weniger als einer Stunde in San Francisco auftun wird.

 

Es ist Ellis gelungen, eine illustre Schar an Zeichnern wie etwa Steve Dillon («Preacher»), John J Muth («Sandman») oder David Lloyd («V wie Vendetta») für die sechs ersten Storys dieser neuen Serie zu gewinnen. Mit seiner Mischung aus Action und teilweise wirklich originellen Storyplots bietet «Global Frequency» gute Unterhaltung, ist dabei aber doch weit davon entfernt, wirklich essenziell zu sein. (scd)

The 9/11 Report

Terror-Wälzer in Comicform

Während Ellis' Werk Terrorismus auf einer rein fiktiven Ebene behandelt, beschäftigt sich «The 9/11 Report» (Panini, zirka 36 Franken) von Sid Jacobson und Ernie Colón mit den realen Terroranschlägen gegen Amerika am sprichwörtlich gewordenen 11. September 2001. Die Erzählung basiert streng auf den Tatsachen des offiziellen Berichts der US-Untersuchungskommission, dem wohl spektakulärsten Untersuchungsbericht der amerikanischen Geschichte. Hierzu wurden mehr als 1000 Personen befragt und über zwei Millionen, oft geheime, Dokumente gesichtet. Das wichtigste Ergebnis ist die Aussage, dass Fehler und Versäumnisse der CIA und des FBI die Terroranschläge begünstigt haben. Die Comicadaption - ein Bestseller in den USA - wird von «Spider Man»-Erschaffer Stan Lee in alle Himmel gelobt: «Noch nie habe ich etwas gelesen, das eine derartige Klasse besitzt. Dieses Buch sollte in Schulen und Bibliotheken zur Pflichtlektüre werden.»

 

Ein differenzierterer Blick lohnt sich auf jeden Fall: Denn zum einen ist der 9/11 Commission Report ja keineswegs unumstritten und zum anderen mutet das Projekt, den knapp 600 Seiten schweren Report mit der Absegnung der 9/11-Kommission nun auch in Bildern fürs «Fussvolk» zugänglich zu machen, doch etwas sehr pädagogisch an. Eine Lektüre lohnt sich aber trotzdem, auch wenn die etwas statisch wirkenden Bilder und textlastigen Panels doch auf Dauer etwas ermüden: Denn aufs Ganze gesehen ist es den Autoren wirklich erstaunlich gut gelungen, die komplexe Materie geeignet für die neunte Kunst aufzubereiten. (scd)

28 Days Later: Die Zeit danach

Rezyklierte Zombies

Vom Dokumentarischen zum Fantasmagorischen: Am 30. August startet der Zombie-Streifen «28 Weeks Later» - das Sequel zum an der Kinokasse sehr erfolgreichen und auch von der Kritik wohlwollend aufgenommenen «28 Days Later» von Danny Boyle - in den Deutschschweizer Kinos, der definitiv nichts für Zartbesaitete darstellen dürfte. Kein Wunder, dass auch die Verwertung in anderen Medien nicht auf sich hat warten lassen. So erscheint bei Cross Cult dieser Tage die Comic-Adaption «28 Days Later: Die Zeit danach» (Cross Cult, zirka 29 Franken) von Steve Niles, die einesteils Material von «28 Days Later» rezykliert sowie eine Brücke zum zweiten Teil herstellt. Eine Vorgehensweise, wie sie etwa auch im Comic «Superman Returns: Verschollen» und ähnlichen Mehrfachverwertungen zur Anwendung gekommen ist.

 

Bei solchen Vorhaben stellt sich stets dieselbe Gretchenfrage: Welchen Mehrwert bringt die Lektüre der Comicadaption - inhaltlich, aber auch formal gesehen? Denn nur zu oft mündet das Ganze, angestachelt durch vollmundige Versprechungen, in Enttäuschung. Diese fehlen auch hier nicht; der Comicplot ende mit einer «schockierenden Enthüllung», wird auf dem Buchdeckel angekündigt. Die ganz grosse Überraschung wird dann freilich doch nicht geboten, doch zumindest für den eingefleischten Horror-Fan bietet der Band gute Unterhaltung. (scd)

Manga Meets Classic 1: Die Zauberflöte

Klassischer Stoff im Manga-Gewand

Etwas weniger wild geht's in «Die Zauberflöte» (Gloor, zirka 24 Franken), einer Adaption der gleichnamigen Mozart-Oper von 1791, zu. Dafür umso poppiger: Die Künstlergruppe World of Comics hat nämlich aus dem klassischen Stoff ein Kulleraugen-Abenteuer im Manga-Stil fabriziert. Dies mag auf den ersten Blick etwas konstruiert wirken, trifft aber den Nerv der Zeit durchaus.

 

Didaktischer Ansatz hin oder her, die jugendliche Klientel könnte am knallbunten Werk jedenfalls durchaus Gefallen finden. Und dies ist auch dem Plot zu verdanken, der auch nach dem 250. Geburtstag von Mozart in seinen Grundfesten so antiquiert gar nicht daherkommt. Ob die junge Leserschaft sich jedoch von der Manga-Lektüre ausgehend das beigelegte, liebevoll aufgemachte «kommentierte Libretto» und letztlich auch die Oper selber zu Gemüte führt, steht wahrlich in den Sternen. (scd)

 

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Didi & Stulle 7: Didi – No More Mister Nice Guy

Berlinernde Proleten-Schweine

Zehn Jahre gibt es sie nun schon bald in Albumform beim Reprodukt-Verlag – und in der Schweiz kennt sie nach wie vor kaum jemand: Die Rede ist von «Didi & Stulle» des deutschen Comiczeichners Philip Tägert, besser bekannt als Fil. Unlängst ist der siebte Band – wiederum eine Sammlung aus den Einseitern der links-alternativ orientierten Berliner Stadtmagazin «zitty», wo die Serie alle zwei Wochen erscheint – rund um die beiden authentisch berlinernden Proleten-Säue erschienen (Reprodukt, zirka 13 Franken).

 

In seinen minimalistischen, stilistisch stetig changierenden Zeichnungen verquickt Fil E- und U-Kultur, Banales und Hochphilosophisches zu einer absurden, oft politisch inkorrekten Melange, der auf Grund des geschriebenen Dialekts ein ganz spezieller Charme anhaftet. (scd)

 

Sämtliche Publikationen von Fil bei Reprodukt mit Leseproben »

Donjon 1: Das Herz einer Ente

Die Legende vom hasenfüssigen Enterich

In diesem Zusammenhang ebenfalls sehr zu empfehlen sind die aberwitzigen Abenteuer des Enterichs Herbert aus demselben Verlagshaus. Neben mehreren neuen Bänden der Fantasy-Reihe von Joann Sfar und Lewis Trondheim kommt nun der erste Teil «Donjon: Das Herz einer Ente» in einer Neuauflage auf den Markt (Reprodukt, zirka 22 Franken). Mit Blick auf den inzwischen regelrecht überbordenden «Donjon»-Mikrokosmos aus Plot-Haupt- und Nebensträngen im Jetzt, in der Vergangenheit und in der Zukunft empfiehlt es sich dringend, mit der Lektüre hier zu starten.

 

Auf die Leserschaft warten jede Menge skurrile Charaktere, eine witzige Story sowie ein cartoon-artiges Artwork, das sich wohltuend von den sonst grafisch eher düster daherkommenden Genrekollegen abhebt. (scd)

 

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Elvis – Die illustrierte Biografie

Variationen über Elvis

Am 16. August jährt sich der Todestag des King of Rock & Roll zum 30. Mal. Doch dieses Jubiläums hätte es gar nicht bedurft, um die Herausgabe von «Elvis – Die illustrierte Biografie» zu legitimieren (Ehapa, zirka 34 Franken). Dafür kommt besagte viel zu wertbeständig daher. Der durch seine hochgelobte Musiker-Comicbio «Johnny Cash. I See a Darkness» bekannte Reinhard Kleist hat zusammen mit dem in Basel geborenen Titus Ackermann eine Schar talentierter deutscher Comickünstler wie etwa Uli Oesterle, Thomas von Kummant oder Isabel Kreitz um sich geschart, wobei jeder Autor einen Lebensabschnitt von Elvis illustriert hat.

 

Resultat dieser Zusammenarbeit ist eine in ihrer Stilvielfalt bemerkenswerte Bildbiografie, die durch ihre konsequente Fokussierung auf Episoden ein äusserst stimmungsvolles Porträt der unvergänglichen Schmalzlocke schafft und dabei zugleich als Werkschau der prosperierenden deutschen Comicszene angesehen werden kann. (scd)

 

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Aliens 1

Rückkehr der Giger-Bestien

Im Jahr 1979 setzte Ridley Scotts «Alien» neue Massstäbe im SciFi- und Monster-Kino und wurde mit seinen von H.R. Giger designten, insektenartigen Monstren – die zwar im Erstling kaum zu sehen waren – rasch zum Kult. Dies hat auch im Medium Comic seine Spuren hinterlassen und auf dem amerikanischen Comicmarkt beim Verlag Dark Horse zu zahlreichen Umsetzungen des blutrünstigen Stoffs mit eigenen Storylines geführt – vieles davon war und ist Massenware. Nun hat Cross Cult die Essenz daraus destilliert und präsentiert mit «Aliens» (zirka 29 Franken) eine Sammlung von durchgängig in S/W gehaltenen, qualitativ hochwertigen Geschichten rund um das Ungetüm aus dem All.

 

Mit von der Partie sind David Lloyd («V wie Vendetta»), Guy David («B.U.A.P.»), John Byrne («Die fantastischen Vier») und nicht zuletzt das prominente Gespann Mike Mignola («Hellboy») und Dave Gibbons («Watchmen»). Dabei macht Gibbons «Erlösung» mit Mignolas hartkontrastigem Artwork eindeutig die beste Figur, wobei jedoch auch die bereits 1995 bei Feest erschienene kolorierte Version ästhetisch sehr schön anzuschauen ist. (scd)

Astro City: Der gefallene Engel

Dekonstruierte Superhelden

Zu guter Letzt noch der Verweis auf «Astro City» aus der Feder von Kurt Busiek, das die logische Fortsetzung der klassischen Superhelden-Storys darstellt, also in einer Welt spielt, in der Superhelden längst nicht mehr die Strahlemänner sind, wie sie es im «Golden Age» zu Supermans Blütezeit noch waren. Im Gegensatz zu den 13 vorhergegangen Heften wird in dieser Sammlung der siebenbändigen Storyline «Der gefallene Engel» (Panini, zirka 36 Franken) der Fokus auf die Geschichte eines einzigen Protagonisten, den frisch aus dem Gefängnis entlassenen, silber glänzenden Steeljack, gelegt.

 

Dieses Vorhaben gelingt ausgesprochen gut und könnte wiederum durchaus auch für Superhelden-Abstinenzler lesenswert sein. Nach wie vor schade ist, dass Ausnahmetalent Alex Ross – einer der wenigen Comiczeichner, die mit Ölfarben arbeiten – lediglich die Covers und nicht die Story selber kreiert. Denn damit hätte sich die superbe Serie auch optisch endgültig von der Superhelden-Massenware abgehoben. Man darf diesbezüglich bestimmt auf Ross’ bald erscheinendes, eigenes Werk «DC Helden» gespannt sein. (scd)

Splitter

Empfehlenswerte Neuauflagen en masse

Neben den Neuerscheinungen locken auch zahlreiche Re-Releases zum Kauf: Am meisten Publikum in dieser Sparte generieren dürfte Garth Ennis' und Steve Dillons Neo-Western-Vampir-Epos «Preacher» (1995-2000), das nach dem Niedergang von Speed Comics bei Panini als Gesamtedition neu herausgebracht wird. Die ursprünglich 34, grösstenteils vergriffenen Hefte dieses gar eigentümlichen, zuweilen ultradeftigen, aber auf Grund seines ironischen Erzählgestus jedoch zur Recht vielgelobten Genre-Mixes werden nun zu neun dicken Bänden zusammengefügt. («Preacher 1: Der Anfang vom Ende», Panini, zirka 44 Franken)

Ebenfalls Freude macht der zweite Band «Das Puppenhaus» der kontinuierlich neu erscheinenden, zehnbändigen «Sandman»-Bibliothek (1988-1996) von Über-Autor Neil Gaiman - das Vorzeigewerk in Sachen anspruchsvolle Comics. («Sandman 2: Das Puppenhaus», Panini, zirka 36 Franken)

Auch von den stilbildenden «Prinz Eisenherz»-Strips (1937-1971) von Altmeister Hal Foster gibt es zurzeit eine angemessene Wiederveröffentlichung - grossformatig und hochwertig in der Ausstattung. («Prinz Eisenherz 2: Jahrgang 1939/40», Bocola, zirka 36 Franken)

«Tim und Struppi»-Schöpfer Hergés Todestag jährt sich heuer zum hundertsten Mal - markttechnisch gesehen natürlich eine willkommene Gelegenheit, um die gelungene Hergé-Comicbiografie «Die Abenteuer von Hergé» von José-Luis-Bocquet (1999) neu auf den Markt zu bringen, die - wie könnte es auch anders sein - natürlich im Stil der «ligne claire» realisiert worden ist. (Carlsen, zirka 18 Franken)

Harte Typen, dufte Miezen, blaue Bohnen: Wer auf Crime Noir im Stil von Frank Millers «Sin City» steht, ist mit Brian Azzarellos und Eduardo Rissos «100 Bullets»-Serie (Band 1 «Der erste Schuss, die lezte Runde», Panini, zirka 27 Franken) und dem früheren Prototyp «Jonny Double» bestens beraten (ab 1998) (Cross Cult, zirka 27 Franken). Dieses Duo wird von der Werkausgabe von Enrique Sanchez Abulis und Jordi Bernets kultigem Spanien-Export-Schlager «Torpedo» aus den 80ern aufs Perfekteste ergänzt (Band 2, Cross Cult, zirka 33 Franken). (scd)

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