Sin City 7: Einmal Hölle und zurück

Der Comic-Noir bekommt Farbe

Der eben erschienene siebte und (vorerst) letzte Band von Frank Millers «Sin City» (Cross Cult, zirka 59 Franken) verkürzt das Warten auf die im Frühjahr anlaufende zweite, wiederum bis ins letzte Panel werkgetreue Verfilmung von Robert Rodriguez. Im Prinzip geht es in diesem 300-seitigen, zwischen Schwarz-weiss- und Farbausführung wechselnden Epos in bibliophiler Ausstattung um die klassische Prinz-rettet-Prinzessin-Mär - wäre das Ganze nur nicht derart von Brutalität durchzogen.

 

Erzähltechnisch ist der Band jedoch superb und führt das Potenzial des Mediums Comic exemplarisch vor. «Einmal Hölle und zurück» kann losgelöst von den Vorgängerbüchern gelesen werden und eignet sich gut als Einstieg in die kaputte Welt des Frank Miller. Mit dem Antike-Epos «300» kommt übrigens im kommenden Jahr eine weitere Adaption einer Graphic Novel des amerikanischen Künstlers ins Kino. (scd, im November 2006) 

Marvel History: Spider-Man 1

Kompletter Wandkrabbler

Mit dem abschliessenden Teil der superben «Spiderman»-Trilogie von Sam Raimi kündigt sich in einem halben Jahr ein weiterer Comic2Film-Blockbuster an. Für den Fan Anlass genug, um endlich die komplette Sammlung der Abenteuer des seit 1962 an den Wänden herumkrabbelnden Peter Parker in Angriff zu nehmen. Dies wird zu einem erschwinglichen Preis möglich durch das «Marvel History»-Projekt.

 

Soeben ist der fünfte «Spider-Man»-Band mit sämtlichen Geschichten aus dem Jahr 1967 erschienen (Panini, zirka 35 Franken) Die telefonbuchdicken amerikanischen «Essential»-Editionen sind zwar noch günstiger, bestehen aber aus schlechtem Papier und sind nur in schwarzweiss erhältlich. Wünschenswert wäre im Gegenzug eine Ausweitung des deutschen «Marvel History»-Angebotes auf andere Serien wie etwa «Daredevil» oder «Die Fantastischen 4». (scd, im November 2006)

 

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Sandman: Ewige Nächte

Komplexe Traumwelten

Neil Gaimans «Sandman: Ewige Nächte» (Panini, zirka 35 Franken) ist ein besonderer grafischer Leckerbissen. Der an den vielfach preisgekrönten, inzwischen auf Deutsch nicht mehr vollständig erhältlichen «Sandman»-Zyklus (1988-96) anknüpfende Band enthält sieben Kurzgeschichten international arrivierter Zeichner wie etwa Milo Manara (gewohnt erotisch), Miguelanxo Prado und Bill Sienkiewicz.

 

Besonders die Verbindung von Nur-Text- und Comic-Passagen ist sehr reizvoll. Neulingen dürfte der Einstieg in diesen modernen Mythos ohne die entsprechenden Vorkenntnisse jedoch etwas schwer fallen. Eine sich längst aufdrängende Neuauflage der klassischen Geschichten um den Herrscher des Traumreiches ist gemäss dem Verlag in Vorbereitung. (scd, im November 2006)

 

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Fables 1: Legenden im Exil

Märchenwelt im Asphaltdschungel

Auf ähnlich hohem Niveau wie «Sandman» bewegen sich zwei weitere Erscheinungen aus dem Hause Panini: In Bill Willinghams «Fables: Legenden im Exil» (ca. 27.-) verschmelzen in einem «fiktiven Land namens New York City» Grossstadtrealität und Märchen miteinander. Schneeweisschens Schwester Rosenrot ist ermordet worden und der grosse böse Wolf scheint der einzige zu sein, der den Fall lösen kann... (scd)

 

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Swamp Thing 4: Offenbarungen

Das Ding aus dem Sumpf neu interpretiert

Ebenfalls in mystischen Gefilden spielt die Geschichte vom Swamp Thing. Im Zuge der Lektüre des vierten Bandes «Offenbarungen» (ca. 49.-) des Ausnahmetalents Alan Moore («V wie Vendetta», «Watchmen», «From Hell») lässt sich Panel für Panel und Sprechblase für Sprechblase nachvollziehen, weshalb seine Interpretation des Dings aus dem Sumpf in den 80er-Jahren den grafischen Roman revolutioniert hat. (scd, im November 2006)

 

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The Red Star 1: Die Schlacht vor Kar Dathras Tor

Helden-Mythos

Erste Spuren, Geschichten mit Bildern zu erzählen, finden sich bereits in Höhlenmalereien. Doch gemeinhin wird die Geburtsstunde des Comics auf das Jahr 1896 gesetzt, als in Amerika «The Yellow Kid» erscheint. In diesen gut 110 Jahren bis zur Gegenwart hat eine ungeheure Ausdifferenzierung stattgefunden. Der Befund des amerikanischen Comictheoretikers Scott McCloud, dass sich dem Medium Comic weder vom Inhalt noch von der Form her Grenzen gesetzt sind, wird bei der Lektüre aktueller Bildergeschichten überdeutlich. Und es zeigt sich vom Umfang her, dass es oft durchaus etwas mehr als die herkömmlichen 48 Seiten sein dürfen.

 

So etwa beim ersten Band der Graphic Novel «The Red Star» (Cross Cult, zirka 46 Franken) des elfköpfigen Kreativteams um Christian Gossett, mit dem eine ganz neue Dimension kollektiver Autorschaft eingeläutet wird. Vor allem inhaltlich, aber auch formal setzt dieser Comic neue Massstäbe: Die teils von Hand gezeichneten und teils am Computer erschaffenen und oftmals ganze Doppelseiten füllenden Bilder verschlagen einem wirklich die Sprache. Der erste Band «Die Schlacht vor Kar Dathras Tor» stellt den Beginn einer gewaltigen SciFi-Saga mit Fantasy-Elementen dar, in der das Phänomen des Krieges von einem multiperspektivischen Blickwinkel aus betrachtet wird. Die Story ist komplex und dabei doch konsumerabel, der Comic mit kritischen Untertönen gespickt und dabei doch massentauglich. Mit seiner (wenn auch unblutigen) Videogame-Hochglanzoptik wirft «The Red Star» natürlich wiederum die Frage nach einer adäquaten Darstellung von Krieg in Kunst und Kommerz auf. (scd)

Batman: Das 100. jahr

Zukunfts-Geflatter

Grafisch auf ähnlich hohem Niveau bewegt sich die düster-brutale Utopie «Batman: Das 100. Jahr» (Panini, zirka 35 Franken) des New Yorkers Paul Pope. So eigenständig in Szene gesetzt hat man den Flattermann kaum gesehen - ausser etwa in Meilensteinen wie «Arkham Asylum» von Dave McKean oder «Die Rückkehr des dunklen Ritters» von Frank Miller.

 

Popes Stärke ist das unglaublich virtuose Spiel mit dem oft randlosen Seitenlayout, was dem Comic einen unglaublichen Drive gibt. Zuweilen beinahe zu viel, um die unglaublich schrägen Perspektiven der Einzelbilder auch entsprechend geniessen zu können. Dass die Story - Killervirus und Konspiration bis in die höchsten Kreise - dabei etwas auf der Strecke bleibt, kann durchaus verschmerzt werden. Dass indes der Plot in die Zukunft verlagert worden ist, scheint etwas aufgesetzt. (scd)

Kickback

Bullenhatz

Einen etwas anderen Ton auf der Erregungsklaviatur schlägt der vor allem durch seine Arbeit am erfolgreich verfilmten «V wie Vendetta» bekannte, britische Comiczeichner David Lloyd mit seinem Thriller «Kickback» (Ehapa, zirka 18 Franken) an. Dies ist seine erste Arbeit als Autor. Auf den ersten Blick wirkt das unentscheidbar zwischen Fotorealismus und Stilisiertheit hin und her schwankende Artwork unspektakulär und die Kolorierung gewöhnungsbedürftig. Der mit klaren Panelabschlüssen komponierte, eher langsam erzählte Thriller zieht aber rasch in seinen Bann.

 

Das Thema ist hinlänglich bekannt: Erzählt wird die Wandlung vom Saulus zum Paulus des zunächst korrupten Bullen Joe Canelli, der schliesslich der Gangster-Polizei (erfolgreich) die Stirn bietet. Trotzdem gelingt es Lloyd, durch die Einbettung von Flashbacks und Träumen Canellis, der den frühen Tod seiner Eltern noch nicht verarbeitet hat, den Stoff mit neuen Facetten anzureichern. (scd)

Lady Snowblood 1+2

«Kill Bill»-Inspiration

Auch im Bereich fernöstlicher Comickost tut sich einiges: Mit «Lady Snowblood» und «Adolf» von Osamu Tezuka (Carlsen, fünf Bände à zirka 22 Franken) liegen zwei hochwertige Mangaserien nun endlich abgeschlossen vor.

 

Das telefonbuchdicke, zweibändige S/W-Werk «Lady Snowblood» von Kazuo Koike und Kazuo Kamimura (Carlsen, je zirka 30 Franken) ist im Original Anfang der 1970er-Jahre erschienen und auch schon bald darauf verfilmt worden. Ausgehend von der Äusserung des Kultregisseurs und Comic-Fanatics Quentin Tarantino, dass dieser Manga ihn zur von der Story her ähnlichen «Kill Bill»-Serie inspiriert hätte, hat nun auch die westliche Welt dieses von Sex und Gewalt durchsetzte Samurai-Racheepos entdeckt. Interessant an dieser Tour de force ist vor allem die sich vom klassischen europäischen Autorencomic unterscheidende Erzähltechnik: So gibt es etwa vergleichsweise viele Sequenzen, bei denen von Panel zu Panel nur sehr wenig Erzählzeit verrinnt, wo also die Darstellung einer relativ kurzen Handlung - etwa ein Schwertstoss - in zahlreiche Einzelbilder aufgesplittet daherkommt. Als spannend erweist sich bei diesem in östlicher Leserichtung (also von hinten nach vorne und von rechts nach links) belassenen Manga auch das Eintauchen in einen anderen Kulturkreis.

 

Ebenfalls mit dem vierten Band bald angeschlossen ist der spannende Psychothriller «Heads» von Keigo Higashino und Motorou Mase (Carlsen, je zirka 14 Franken). (scd)

Die heilige Krankheit 1

Die Epilepsie meines Bruders

Realitätsorientierter, aber nicht minder krass auf seine Weise geht es im autobiografischen Werk «Die heilige Krankheit» (Edition Moderne, zirka 40 Franken) des Franzosen David B. zu: In eindringlichen und symbolträchtigen, mit ihrer Holzschnittartigkeit an Marjane Satrapis «Persepolis» gemahnenden Schwarz-Weiss-Bildern lässt der Autor seine eigene schwierige Kindheit, die unter dem Zeichen seines epileptischen Bruders gestanden hat, Revue passieren.

 

«Die heilige Krankheit» ist zum einen Familienpsychogramm, zum andern aber auch viel mehr als das: Exemplarisch wird hier aufgezeigt, wie der Mensch generell auf das abrupte und letztlich unerklärliche Hereinbrechen von Krankheiten reagiert. (scd)

24 – Der offizielle Comic zur TV-Kultserie

Echtzeit in Comicform

Adaptionen haftet ja immer ein wenig den Ruch des Ausverkaufs an - doch das trifft bei dieser Comic-Umsetzung der innovativen TV-Thriller-Serie «24» (Cross Cult, 42 Franken) Gott sei Dank überhaupt nicht zu: Präsentiert werden hier in schickem Hardcover-Einband drei neu kreierte Storys von verschiedenen Autoren und Zeichnern (exorbitant: der fotorealistische Stil von Manny Clark), welche aber hochgradig mit den Plots der Fernsehserie um den in seinen Methoden zutiefst radikalen Antiterror-Spezialisten Jack Bauer verknüpft sind.

 

Damit eröffnen sich für eingefleischte Fans ganz neue Perspektiven. So gibt es etwa ein Wiedersehen mit Jacks (späterer) Erzrivalin Nina Myers - in einer Geschichte, die 18 Monate vor Staffel 1 spielt und sogar das vielgelobte Echtzeit-Prinzip der TV-Vorlage zu übertragen versucht: Zwei Seiten Comic stehen für ungefähr eine Stunde Handlung. (scd)

Bob Marley – Die Legende der Wailers

Marleys Leben als Puzzle

Um den «God of Reggae» ranken sich zahllose Legenden. Doch wer war Bob Marley, der im Alter von gerade einmal 36 Jahren gestorben ist, wirklich? Wer eine fundierte Antwort darauf sucht, für den ist die Marley-Comicografie des antillischen Künstlers Roland Monpierre (Ehapa, zirka 18 Franken) ein zweischneidiges Schwert: Monpierre hat es sich nämlich nicht zum Ziel gesetzt, ein allumfassendes Porträt zu liefern, sondern legt den Fokus vielmehr auf einige wenige Momentaufnahmen in Marleys Leben.

 

Das auf eine sympathische Art schludrige Artwork tröstet zwar über den zuweilen etwas wirren Plot hinweg - der Gesamteindruck bleibt jedoch zwiespältig. Dies bedeutet aber keineswegs, dass sich das Medium Comic nur bedingt für Biografien eignen würde, was etwa Flameboys Kurt-Cobain-Bio («Godspeed») oder Robert Crumbs «Kafka kurz und knapp» eindrucksvoll unter Beweis stellen. (scd)

B.U.A.P. 2: Die Froschplage

Mutierte Monsterfrösche

Der amerikanische Comickünstler Mike Mignola hat mit seiner Serie um den zutiefst untypischen Superhelden Hellboy ab 1993 einen faszinierenden Kosmos geschaffen, der vom Paranormalen, von Geistern, Dämonen und Vampiren regiert wird. Im Spin-off «B.U.A.P.» rückt er nun mit seinem unverwechselbaren Zeichenstil die Figuren rund um den Dämonen Hellboy (wie etwa den Amphibienmenschen Abe Sapiens oder den Feuerteufel Liz Sherman) ins Zentrum grausig-schöner Fantasy-Kurzgeschichten.

 

Die Abenteuer der Agenten der «Behörde zur Untersuchung und Abwehr paranormaler Erscheinungen» (denn dafür steht die Abkürzung B.U.A.P.) können im Gegensatz zum ersten Band der Serie in prächtiger Kolorierung genossen werden (Cross Cult, zirka 35 Franken). Einziger Wehmutstropfen: Gerade der vormalige Schwarz-Weiss-Druck hat gezeigt, wie wunderschön Mignolas Spiel mit Licht und Schatten in monochromer Ausstattung aussehen kann. (scd)

Rendezvous in Paris

Ein Universum für sich

Die dreiteilige Sage um «Alexander Nikopol» (1981-92) des französischen Comicautors Enki Bilal zählt zu den grossen Klassikern der europäischen Comicliteratur. Bilal konstruiert darin mit Versatzstücken aus der griechischen Mythologie eine hochkomplexe und grafisch deliziös umgesetzte Negativutopie, die als ironischer Kommentar der heutigen Gesellschaft gelesen werden kann.

 

In «Rendezvous in Paris», dem abschliessenden (?) Band einer weiteren Trilogie (Ehapa, zirka 35 Franken), bleibt Bilal sowohl seinen Themen als auch seinem Stil treu. Die Trostlosigkeit, welche das zerfallene Paris im Gewand von Bilals unzähligen Farbnuancierungen von blau bis grau ausstrahlt, korrespondiert mit der Hoffnungslosigkeit und Ernüchtertheit der Protagonisten. Wie gewohnt ist eine Zweitlektüre auf Grund der verschachtelten Erzählweise und kryptischen Sprache zwingend vonnöten, um Zugang zu Bilals Universum zu erhalten. (scd)

Superman Returns

Wo ist bloss Superman geblieben?

Der zurzeit in den Kinos laufende Superhelden-Blockbuster «Superman Returns» ist die inoffizielle Fortsetzung der Genre-Referenz «Superman II» von 1980. In der Handlung fehlen jedoch zwischen den Filmen fünf volle Jahre. Fünf Jahre, in denen sich Superman ohne ein Wort des Abschieds ins All auf die Suche nach seinem Heimatplaneten Krypton begeben hat. Doch was ist in dieser Zeit eigentlich auf der Erde geschehen? Was ist den drei Schlüsselpersonen in Supermans Leben - seiner Geliebten Louis Lane, seiner Mutter und dem Oberschurken Lex Luthor - widerfahren?

 

Der von verschiedenen Zeichnern in Szene gesetzte Comic «Verschollen» geht diesen Fragen in drei separierten Erzählsträngen auf den Grund und wartet zudem als Einstieg mit dem im ersten Superman-Film von 1978 erzählten Prolog auf Krypton auf. Dabei kommt zwar nichts Sensationelles zu Tage, trotzdem ist der von «Superman Returns»-Regisseur Bryan Singer mitgeschriebene Comic für alle Fans des Superman-Stoffs ein klares Must. (scd)

James Bond: Casino Royale

Sprechblasen-007

Alle Jahre wieder erreicht ein neues Abenteuer des britischen Kult-Agenten James Bond die Leinwände und ein Millionenpublikum. Der Titel des aktuellen Blockbusters - «Casino Royale» - sagt eigentlich schon fast alles: 007 treibt seinen Widersacher am Spieltisch in den Ruin, was diesen nicht nur finanziell teuer zu stehen kommt. Und natürlich dürfen auch wieder deftige Actionkost, sexy Doppelagentinnen und eine Prise trockener Witz nicht fehlen.

 

Dieser erste der zahlreichen weiteren Bond-Romane aus der Feder Ian Flemmings kann auf eine erstaunliche Adaptionsgeschichte zurückblicken: So wurde er bereits zwei Mal verfilmt, das zweite Mal als Parodie auf das Agenten-Genre. Den Anfang machte aber eine Bildergeschichte: So wurde «Casino Royale» vom 7. Juli bis 13. Dezember 1958 in der englischen Zeitung «Daily Express» als täglich erscheinender Comicstrip umgesetzt.

 

Erstaunlicherweise liegt bis dato leider keine Übersetzung ins Deutsche vor. So oder so ist «Casino Royale» (Titan, zirka 25 Franken) ein unverzichtbarer Leckerbissen für alle Fans des britischen Geheimagenten, gerade zumal diese Neuauflage neben Zusatzinformationen auch noch die beiden Comicadaptionen von «Live and Let Die» und «Moonraker» enthält. (scd)

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