Die Marvel Chronik

70 Jahre Heldentum – zwischen zwei Buchdeckeln

Ein Gesamtüberblick über das Marvel-Universum, von den Anfängen bis heute, nach Jahren geordnet. Grossformatig, in hochwertiger Ausstattung, reich illustriert mit zum Teil sogar doppelseitigen Abbildungen.

 

All das bietet die «Marvel Chronik» (Panini, zirka 140 Franken). Es handelt sich um eine auf 999 Exemplare limitierte Sonderausgabe. (Der Kult geht sogar so weit, dass man als glücklicher Besitzer per E-Mail kostenlos ein fortlaufend nummeriertes Zertifikat anfordern kann, das die Echtheit des erstandenen Objekts garantieren soll). Der 350-seitige Band, der inhaltlich wirklich keine Wünsche offen lässt und grafisch sehr schön gestaltet wurde, lädt zum stundenlangen Schmökern ein. Natürlich werden auch Gelegenheiten satt geboten, um bislang verborgen gebliebene Perlen aus den Tausenden von Publikationen aus dem seit 70 Jahren bestehenden amerikanischen Verlag zu entdecken. Der Preis für das Prunkstück jeder Sammlung ist natürlich entsprechend hoch, aber angesichts dessen, was der Fan dafür geboten bekommt, durchaus gerechtfertigt. Freude herrscht – für all diejenigen, die auf ein spendables Christkind hoffen dürfen respektive selber liquide sind.

Eine perfekte Ergänzung zur «Marvel Chronik» bietet die bereits früher erschienene, gleich hochwertig ausgestattete «Marvel Enzyklopädie» (nur noch antiquarisch; auch in einer abgespeckten, günstigeren Version erhältlich), in der die zig Charaktere des Marvel-Kosmos im Vordergrund stehen. Perfekt auch deshalb, weil auf doppelseitigen Einschüben ein Überblick über die wichtigsten Ereignisse während eines ganzen Jahrzehnts (bspw. «Marvel in den 1970ern») geboten wird. Für alle, die sich noch genauer über eine bestimmte Serie ins Bild setzen wollen, dürften die «Fantastischen Vier»- sowie die «Spider-Man»- respektive die «X-Men Enzyklopädie» das Richtige sein.

Wer mehr auf die DC-Helden steht, wird mit «Die DC Comics Enzyklopädie» (nicht mehr regulär erwerbbar) aufs Vorzüglichste bedient. Wie beim Marvel-Pendant werden die wichtigsten Charaktere auf Doppelseiten vorgestellt – mit ihrer durch die verschiedenen Erzählstränge geprägten Biografie, ihren besonderen Kräften und den essenziellen Storys. Viel Freude bereiten zudem die acht Spezial-Doppelseiten, auf denen Themen wie Waffen, Stützpunkte oder grosse Schlachten ausgebreitet werden. Auch hier erweist sich das Register als unverzichtbares Instrument, um einen Überblick zu gewinnen. In ähnlicher Ausführung ist übrigens auch die «Vertigo Enzyklopädie» (zirka 98 Franken) erhältlich. (scd)

The Surrogates

Science-Fiction-Thriller mit Tiefgang

Amerika im Jahr 2054: Die Mehrheit der Menschen verlässt die Wohnungen nicht mehr und lässt sich in der Öffentlichkeit nur noch durch Technologie und Gedankenkraft gesteuerte Roboterstellvertreter, genannt Surrogate, repräsentieren. Sichtbares Altern gehört der Vergangenheit an, Unfälle verursachen nur Sachschaden. Doch ein «Terrorist» zerstört die Idylle, indem er Surrogate zerstört und die Menschen so zwingt, ihren Alltag wieder auf die ursprüngliche Weise zu bestreiten. Der Polizist Harvey Greer begibt sich auf die Jagd – und beginnt allmählich am Sinn der Surrogate zu zweifeln.

 

Bereits nach den ersten Kapiteln erkennt man, dass «The Surrogates» (Cross Cult, zirka 44 Franken) von Robert Vendetti und Brett Weldele die ambitionierte Spagat zwischen Thriller und philosophischen Betrachtungen zum Thema Leben gelingt. Auch grafisch vermag der Einzelband zu überzeugen. Besonders auffallend ist die Farbgebung, welche Stimmungswechsel exakt einfängt. Der häufige Wechsel der Panelgrösse trägt die Dynamik des spannenden Plots mit. Erfrischend ist auch der teilweise skizzenhafte Strich, der die Figuren oft krud, aber dafür organischer aussehen lässt und so einen Gegenpol zu der sterilen Ästhetik vieler anderer Comics (und ebenfalls ganz eklatant zur von Kritikerseite nicht gerade mit Lorbeeren überhäuften CGI-Hochglanz-Filmadaption mit Bruce Willis in der Hauptrolle, der Ende Januar 2010 in die hiesigen Kinos kommt, abweicht) bildet. Nur ein leicht abrupter Schluss trübt den Gesamtausdruck dieses Bandes, der ohne Zweifel zu den empfehlenswertesten Comic-Erscheinungen des Jahres gehört. (ras)

 

Interview mit Autor Robert Vendetti »

Blankets

Unterwegs auf dem steinigen Weg zum Glück

Mehrere Jahre nach seinem Auszug als 20-Jähriger verbringt Craig wiederum die Weihnachtstage in seinem Elternhaus in Wisconsin. «Meine Eltern können mir nicht mehr vorschreiben, wann ich zu Hause sein muss oder mich in die Ecke stellen, aber dennoch fühle ich in mich ihrer Nähe so verwundbar», geht es dem Mittzwanziger am Abend auf der elterlichen Couch durch den Kopf. Wie gross die Entfremdung ist, zeigt sich an der Frage der strenggläubigen Erzieher an ihren Zögling, ob er denn inzwischen eine Kirche für seine religiöse Laufbahn gefunden habe. Craig, der symbolisch zum Schneemann wird, kommentiert quasi als Aussenstehender aus dem Off: «Sind sieben Jahre Auszeit nicht als Antwort genug?» Als seine Eltern zu Bett gegangen sind, treibt es den jungen Mann zum «Kabuff», wo er und sein jüngerer Bruder früher jeweils eingesperrt wurden, wenn sie nicht parierten. Zuunterst in einer Bücherkiste findet Craig seine Bibel, die er zurückgelassen hat – und beginnt im Lukas-Evangelium zu lesen. Jetzt ist er bereit, auch den dort liegenden Müllsack zu öffnen. Bereit, die weggesperrten, ihn wiederum übermannenden Erinnerungen zuzulassen. Erinnerungen an seine erste grosse Liebe Raina, die ihn immer noch nicht losgelassen hat. Szenenwechsel: Dem Trubel der Bescherung entflohen, steht Craig im Schneegestöbert, breitet die Arme aus – und lächelt.

 

So offen, aber in gewisser Weise auch versöhnlich endet «Blankets» (Carlsen, zirka 64 Franken) von Craig Thompson aus dem Jahr 2003 – ein 600-seitiger autobiografischer Entwicklungsroman. Zum einen handelt es sich um ein sensibles Coming-of-Age-Drama um einen Aussenseiter, der, an den Folgen seiner fundamentalistischen Erziehung und dem provinziellen Umfeld laufend kleine Tode sterbend, seinen Platz in der Gesellschaft hin zur gelungenen Individuation finden muss. Zum anderen und zur Hauptsache ist das halbrealistisch und stellenweise expressionistisch in schwarzweisser Grafik realisierte «Blankets» die Geschichte einer grossen, letztlich unmöglichen Teenager-Liebe, die ohne Klischees auskommt. Die Neuausgabe stellt die längst vergriffene deutsche Erstausgabe von Speed – ohne diese diskreditieren zu wollen – mit ihrem mit Prägungen versehenen Hardcover-Einband und dem griffigen Papier klar in den Schatten und betont auf diese Weise auch materiell die hohe Literarizität des preisgekrönten Werks aufs vorzüglichste. (Mit «Blankets» ist übrigens die im Comic – auch in symbolischer Hinsicht – eine wichtige Rolle einnehmende Steppdecke gemeint.) (scd)

 

Leseprobe »

Storm 0+10

Weit weit weg, im Reich grenzenloser Imagination...

Durch einen technischen Aussetzer einer Raum-Zeit-Kapsel stranden zwei Astronauten auf der Erde in fernster Zukunft. Alles hat sich verändert, aber keineswegs zum Guten: Nach dem Verschwinden der Ozeane ist die reichhaltige Vegetation unseres ehemals blauen Planeten unseliger Wüste gewichen, und die menschliche Rasse wird von Fischwesen unterjocht. Die beiden Fremden sind bei den barbarischen Besatzern keineswegs willkommen. Es geht ums nackte Überleben – und da ist ja auch noch die attraktive rothaarige Fremde...

 

Wen diese Plotanlage an die fantastische Science-Fiction-Serie «Storm» erinnert, liegt nicht ganz falsch: «Kommandant Grek» (Splitter, zirka 27 Franken) nimmt eine Sonderstellung im Universum der niederländischen Space Opera ein: Es handelt sich dabei um einen nicht geglückten, zunächst unvollendet gebliebenen Testlauf aus dem Jahr 1976 von Autor Vince Wernham, der schliesslich als Intermezzo zwischen dem «Tiefe Welt»- und dem «Pandarve»-Zyklus von «Storm» im Comicmagazin «Eppo» eingeschoben wurde. Nun liegt der Band mit der abgeschlossenen Paralleluniversum-Geschichte der beiden (auch optisch) Quasi-Vorgänger respektive Doppelgänger von Storm und Rothaar als Nullnummer neu aufgelegt vor. Der zwar spannend vorangetriebene Plot mit seiner Darstellung einer zum einen hochtechnologisierte und zum anderen extrem archaischen Zweiklassengesellschaft in einer lebensfeindlichen Umgebung, wo es von Riesenkrebsen und weiteren urtümlichen Monstern nur so wimmelt, kommt ausgesprochen konventionell und entsprechend trashig daher. Auch der von Ersatzautor Kees Vuik ausgeführte banal-versöhnliche Schluss kann höchstens als mittelprächtig angesehen werden.

 

Diese Mankos werden jedoch durch die eindrucksvolle, farbenprächtige Grafik des 2003 verstorbenen Briten Don Lawrence mehr als wieder wettgemacht. Dessen extrem detailliertes und mit seiner Wasserfarben-Ausführung nach wie vor singuläres Artwork kann als ebenbürtiges organisches Pendant zum fotorealistischen Stil des Fantasy-Exponenten Richard Corben («Den») betrachtet werden. Der exzellente Eindruck wird durch die ausserordentlich gute Druckqualität noch verstärkt.

Diese ungeheure Fertigkeit stellt auch die nie versiegende Hypothek des nun wiederaufgelegten, 1982 erstmals erschienenen, zehnten Bandes «Die Piraten von Pandarve» (zirka 29 Franken) dar. Dies ist der Startschuss für die Neuedition des zweiten, 14-teiligen «Storm»-Zyklusses. Das Heft markiert einen Wendepunkt im «Storm»-Erzählkosmos: Zum zweiten Mal wird der Titel gebende Protagonist – nun wenigstens mit seiner hübschen Begleiterin Rothaar an der Seite – unvermittelt und brutal aus seinen gewohnten Lebenszusammenhängen gerissen. Auf dem Planeten Pandarve, auf dem andere physikalischen Gesetze als auf der Erde gelten, muss sich der muskelbepackte Held, der dort als intergalaktische «Anomalie» angesehen wird, im Kampf gegen den wie einen Gott verehrten, grausamen Herrscher Marduk beweisen. Doch zuerst einmal wird er von Rothaar getrennt und versklavt...

 

Die von Martin Lodewijk (er war bereits Autor des zweiten Bandes «Der letzte Kämpfer») geschaffene erzählerische Ausgangslage ist sehr vielversprechend, auch die Einführung des Sidekicks Nomad vermag frischen Wind in die noch immer laufende, inzwischen 26 Bände umfassende Serie zu bringen. (Auch wenn die jüngsten Erzeugnisse zumindest in den Niederlanden ein Kassenschlager sind – an die Qualität des Artworks von Altmeister Lawrence vermögen die Nachfolger freilich nicht heranzukommen.) «Storm» kann als geradezu exemplarisches Beispiel dafür angesehen werden, zu welchen kreativen Höhenflügen ins Reich der Imagination der menschliche Geist fähig ist. Alle Bände sind – splitter-typisch – hochwertig ausgestattet und kommen mit einem informativen Nachwort sowie einem beigelegten Kunstdruck daher. Eine Serie, die es zu entdecken und zu sammeln lohnt! (scd)

 

Mehr Infos und Leseproben zu Band 0 und Band 10 »

Alle Bände der Serie im Überblick »

Incognito 1: Stunde der Wahrheit

Der Kater lässt das Mausen nicht

Im Rathaus bergeweise Akten sortieren und seiner Arbeitskollegin Amanda, die ihn wie Luft behandelt, hinterhergeifern. So uninspiriert verläuft der Arbeitsalltag des Bürogummis Zack Andersen. Tag für Tag. Was niemand ahnt: Bei Andersen handelt es sich in Wirklichkeit um den ehemaligen, offiziell für tot erklärten Superschurken, der einst mit seinem Zwillingsbruder Xander für Chaos auf Amerikas Strassen gesorgt hatte. Zacks Boss Black Death sitzt in einem Hightech-Knast, woran sein ehemaliger Vasalle nicht ganz unschuldig ist. Dieser hat ihn verraten – für eine neue Identität und mit der Auflage, Medikamente einzunehmen, um seine Superkräfte zu bannen. Doch folgenschwere Veränderungen stehen unmittelbar bevor...

 

Dem «Criminal»-Duo Ed Brubaker und Sean Philipps ist mit «Incognito 1: Stunde der Wahrheit» (Panini, zirka 33 Franken) ein wunderbarer Superhelden-Thriller abseits des Mainstreams gelungen. Die Story mit ihrer zunächst asynchronen Struktur besticht durch ihre Komplexität, wobei Actionelemente nicht zu kurz kommen. Die aus «Criminal» bekannte Erzählweise aus dem Off schafft zusammen mit dem flächigen Zeichenstil und der in dunklen Tönen gehaltenen Kolorierung eine wunderbare Crime-noir-Athmosphäre – empfehlenswert! (Übrigens, aller Ähnlichkeit zum Trotz: Dies ist definitiv nicht der Comedian aus Alan Moores «Watchmen» auf dem Cover!»)

 

Mehr Infos und Leseprobe »

Zuweilen wird man erst im Nachhinein auf Perlen aufmerksam – so geschehen bei «Grabgesang» (Panini, zirka 26 Franken), dem dritten Band der «Criminal»-Reihe (zur Besprechung des vierten Bandes). Die drei hier zusammengeführten Einzelstorys lassen sich im Grunde für sich allein stehend lesen, entfalten ihr Potenzial jedoch erst bei der Lektüre als Trilogie. Ein Boxer, der vom Unterweltschatten seines Vaters loskommen möchte, ein psychisch mitgenommener und gewalttätiger Vietnam-Veteran, eine Afroamerikanin, die vom Kapital ihres Körpers lebt und von einem besseren Leben träumt: Drei in der Gosse gelandete, kaputte Charaktere jenseits des Gesetzes. Drei Schicksale, untrennbar miteinander verwoben. Unbestritten das Opus Magnum der «Criminal»-Reihe! (scd)

Die ganze Wahrheit über den Fall der verschwundenen Miss Finch

Freakshow mit einem Hauch von Göttlichkeit

Ein Fantasy-Schriftsteller, ein Horrorfilm-Regisseur und eine Bestseller-Autorin – wer sollte ausgerechnet einem solchen Trio, das sich ja gewisserweise das Lügen zur Profession gemacht hat, die unglaubliche Geschichte glauben, die sich in den Katakomben unter dem Londoner Stadtbezirk Hampstead zugetragen hat? Eine Geschichte, in deren Verlauf die ungeliebte und wenig attraktive Geobiologin Miss Finch während einer ominösen Zirkusvorstellung verschwindet – um später als von Säbelzahntigern flankierte Amazone noch ein letztes Mal aufzutauchen. Richtig: Niemand.

 

Der Autorname Neil Gaiman ist – im Grunde sicher auch zu Recht – mit geradezu gigantischen Erwartungen aufgeladen. Kein Wunder also, dass diese nicht bei all seinen Veröffentlichungen, aktuell mit «Die ganze Wahrheit über den Fall der verschwundenen Miss Finch» (Panini, zirka 23 Franken), nicht gänzlich erfüllt werden können. Das hängt zum einen mit dem verlegerischen Aspekt zusammen: Die edle Aufmachung des relativ dünnen «Gaiman Bibliothek»-Bandes suggeriert, dass zwischen den beiden Hardcover-Buchdeckeln das absolute Non plus ultra wartet – was halt leider Gottes einfach nicht so ist. Zum anderen handelt es sich ja natürlich «nur», was bei solchen Projekten oft in Vergessenheit gerät, wie bei «Coraline» um eine Adaption von Todd Klein einer Kurzgeschichte aus der Feder Gaimans und nicht im eigentlichen Sinne um einen Comic nach einem speziell auf das Medium ausgerichteten Script oder Storyboard des «Sandman»-Autors. Im Grossen und Ganzen lässt sich sagen, dass die von Michael Zulli in Aquarellgrafik ausgeführte Graphic Novel «Miss Finch» gute Unterhaltung im viktorianischen Gruselmär-Stil bietet und einen nicht loslässt, bevor ausgelesen ist. Und das ist ja auch schon einiges.

Ungefähr dasselbe – durchaus interessant, aber keineswegs essenziell; wiederum dürfte das gemalte Artwork zahlreiche Leser abschrecken – lässt sich über den ersten Band «Geschöpfe der Nacht» (zirka 22 Franken) sagen. Da nirgendwo der Verantwortliche für die Adaption angegeben ist, könnte Gaiman womöglich bei dieser wiederum von Michael Zulli ausgeführten grafischen Umsetzung zweier seiner Kurzgeschichten mehr seine Finger im Spiel gehabt haben. In der ersten Episode «Der Preis» kommt (das suggeriert jedenfalls die Gestaltung sowie die Berufsumschreibung) des aus «Miss Finch» bekannte Fantasy-Schriftstellers (ein Alter Ego Gaimans?) zum Zug, der sich um einen mysteriösen schwarzen Kater kümmert. «Tochter der Eulen» stellt eine klassische Spukgeschichte dar. Hier müssen Schänder einer geheimnisvollen, stummen Schönen einen hohen Preis für ihr frevelhaftes Tun bezahlen. Als dritter Band der Reihe ist vom Verlag «Signal to Noise» angekündet; illustriert hat die Novelle Dave McKean. (scd)

 

Leseprobe zu «Miss Finch» und zu «Geschöpfe der Nacht» »

Fables 10: Väter und Söhne

Eine dunkle Äre bricht an im Märchenreich

Gepettos Werkstatt, wo dieser Armaden von Holzsoldaten schnitzte, ist bis auf die Grundmauern niedergebrannt – ein Werk und historischer Etappensieg der freien Fables, die unbemerkt in New York in der Welt der Normalsterblichen leben. Doch die Herrscher der Heimatländer sind nicht gewillt, diese Niederlage hinzunehmen und bereiten einen vernichtenden Gegenschlag vor, bei dem nicht nur der Kreis der Abstrünnigen, sondern auch die gesamte Menschheit vernichtet werden soll. Wegen des schwelenden Konflikts – aus taktischen Gründen wurde Hänsel nach Fabletown gesandt – nimmt Bigby Wolf zusammen mit seiner Frau Snow White und den Welpen widerwillig den Kontakt zu seinem Vater Mr. North auf, denn seine Leute sind auf die Unterstützung des Nordwindes angewiesen. Dabei kommt es zu für seine Familie in den Wäldern unterhalb des Wolkenschlosses seines Vaters zu einem folgenschweren Zwischenfall...

 

«Fables 10: Väter und Söhne» (Panini, zirka 33 Franken) von Bill Willingham und Mark Buckingham bringt eine interessante Wendung ins Fable-Erzähluniversum und lässt einen voller Ungeduld auf den Folgeband (im englischen Original handelt es sich um den 10. Band «The Good Prince») warten. Erneut zeigt Willingham sein Talent auf für die Architektur grosser Plotbögen. Durch den Einschub zahlreicher Kurz- und Kürzeststorys, illustriert von verschiedenen Gastzeichnern, wobei vor allem Michael Allred hervorsticht, wird das Epos grafisch in die Nähe etwa von «Sandman» gerückt. Erneut fasziniert der kreativ-neudefinierende Umgang mit althergebrachten Märchenelementen: So wird in einer Passage etwa von Frau Totenkinder höchstpersönlich erzählt, wie sich die Geschichte von Hänsel und Gretel wirklich zugetragen hat – und wie sich Hänsel, nachdem er nach seiner Flucht über den Atlantik bestürzt feststellen musste, dass die verbrannte Hexe nur vermeintlich tot war und jetzt im Exil Amnestie genoss, mit Leib und Seele der Hexenverfolgung verschrieb. mehr und mehr psychopathische Züge annehmend. (scd)

 

Überblick über die bereits erschienenen Bände »

Leseprobe »

Comics – Geschichte und Theorie

Ein tiefer Blick in die Funktionsweise des Mediums

Wer sich intensiv auf theoretischer Basis mit dem Phänomen Comics auseinander setzen will, dem sei die Lektüre der Neuerscheinung «Comics – Zur Geschichte und Theorie eines populärkulturellen Mediums» (Transcript, zirka 50 Franken) wärmstens ans Herz gelegt. Herausgegeben von Stephan Ditschke, Katerina Kroucheva und Daniel Stein, folgt die Aufsatzsammlung im Gegensatz zu «Comics, Mangas, Graphic Novels» einem viel wissenschaftlicheren Duktus und dürfte somit aufgrund der Verständlichkeitshürde vor allem ein akadamisches Publikum finden. Bei allem Ausschluss hat dies den entscheidenden Vorteil, dass gerade die Begrifflichkeiten profunder unter die Lupe genommen werden können. So etwa in Stephan Packards «psychosemiotischen Überlegungen im Anschluss an Scott McCloud» oder Daniel Steins Abhandlung «Was ist ein Comic-Autor?» Ebenfalls anders als im «Text + Kritik»-Band wird der Fokus mehr auf Konzepte und Textsorten als auf einzelne Autoren und deren Werk gelegt. (scd)

 

Infos und der erste Beitrag «Birth of a Nation» als Leseprobe im Volltext »

Prinz Eisenherz 10: Jahrgang 1955/56

Ein Klassiker in neuem Glanz

8. April 1956: In der Sonntagspresse erscheint die tausendste «Prinz Eisenherz»-Seite – im 20. Jahr nach dem ersten Auftauchen des Ritters mit dem singenden Schwert. Dieses Ereignis in der bald 73-jährigen Geschichte des Longsellers mit seinem Plot zu König Artus' Zeiten gibt es im zehnten (Jahrgang 1955/1956, Bocola, zirka 35 Franken) von insgesamt 16 Bänden, in denen Hal Foster die Serie schrieb und zeichnete, zu entdecken. Da Foster zu jenem Zeitpunkt nicht mehr ohne Weiteres voraussetzen konnte, dass alle Leser mit den Anfängen seines edlen Ritters ohne Furcht und Tadel bekannt waren (gerade, was die Neulinge betraf, die erst durch die Verfilmung im Jahr 1954 auf die Serie aufmerksam wurden), griff der 1982 verstorbene «Tarzan»-Zeichner zu einem Kunstgriff und lässt den verletzten Eisenherz seinen Kindern von seinen frühesten Abenteuern erzählen – natürlich lobenswert «werkgetreu». Dieses Zwischenspiel gab Foster zudem die Gelegenheit, mit seiner Frau auf eine Europareise zu gehen, was sich später wiederum in der Verwendung von Szenerien ab Skizzen von der Natur oder Fotos in «Prince Valiant» (so der Originaltitel) niederschlug. Interessant ist auch der Umstand, dass der Lauf der Zeit auch an Eisenherz' Sohn Arn nicht spurlos vorübergeht: Dieser wird langsam zum Jüngling und erlebt bereits seine ersten eigenen Abenteuer.

 

Digital restauriert und hochwertig ausgestattet, ist dem Bonner Verlag Bocola die ultimative «Prinz Eisenherz»-Neuedition gelungen – und dies zu einem sehr vernünftigen Preis. Band 11 der Reihe ist auf den März 2010 anberaumt. (scd)

 

Überblick über alle Bände und Leseproben »

Ein Mann geht an die Decke

Alles im Leben ist relativ

Rauf, runter, rauf, runder: So repetitiv gestaltet sich der Arbeitsalltag von Franz Fink. Nicht dass der Fahrstuhlführer im Berliner Fernsehturm generell unzufrieden mit seinem Leben wäre. Doch die beengten Wohnverhältnisse zuhause – seine von einem eigenen Antiquitätenladen träumende Lebenspartnerin Inge hat die Wohnung in einen Lagerraum umgenutzt – verlangen dem passionierten Kreuzworträtsler schon einiges ab. Da kommt Fink etwas Abwechslung gelegen. Zufällig entdeckt der einfache Büezer nämlich einen bislang der Öffentlichkeit verborgen gebliebenen Bereich, wo die normalerweise geltenden Gravitationskräfte ausser Kraft gesetzt scheinen – doch dies hat vor allem etwas mit der Einstellung der dort lebenden Personen zu tun. Da wäre etwa die freundliche Gabi zu nennen, welche die heile Waagrecht-senkrecht-Welt des Franz Fink ganz gehörig durcheinander bringt.

 

Katharina Greve ist mit ihrem Debüt «Ein Mann geht an die Decke» (Die Biblyothek, zirka 26 Franken) ein Kleinod gelungen. Grafisch enorm stilisiert in schwarzweiss mit wenig Grautönen auf Papier gebracht, vermag vor allem das unverbrauchte Szenario der 37-jährigen Autorin zu überzeugen. Auch gelingt im humorvollen Werk das Manöver, eine Alltagsgeschichte mit philosophischen und lebenspraktischen Fragestellungen anzureichern, ohne dass dies aufgesetzt wirkte. Der Schluss mag etwas unvermittelt daherkommen, ist jedoch insgesamt stimmig. (scd)

 

Website zum Comic mit Leseprobe »

Spider-Man und die X-Men

Zwei Superhelden-Kosmen prallen aufeinander

Das Marvel-Universum befindet sich in stetigem Wandel. Gibt es aber über die Jahre hinweg auch Konstanten? Die Antwort findet sich in «Spider-Man und die X-Men» (100% Marvel 45, Panini, zirka 27 Franken) von Christos N. Cage, in dem verschiedene Aufeinandertreffen und Zusammenarbeiten des Netzschwingers mit Xaviers Mutanten-Truppe als roter Faden die letzten Jahrzehnte der Marvel-Geschichte fungieren. Von den Anfängen Spideys und der ersten Gruppe X bis hin zur Klon-Sage, Onlslaught und House of M.

 

Der edle Blass-Pastellton-Stil von Mario Albert («Redhand») mag zwar sehr ansprechend sein und auch die Idee, Stränge aus verschiedenen Erscheinungsjahren zu einem homogenen Ganzen zusammenzuführen, innovativ. Leider scheint bei diesem Unterfangen der Plot beinahe gänzlich in Vergessenheit geraten zu sein. Übrig bleibt eine wirr in Szene gesetzte und entsprechende ermüdende Schlag-auf-Schlag-Abfolge von Actionszenen – eigentlich schade. (scd/pd)

 

Leseprobe »

Die Peanuts: Werkausgabe 7 – 1963 bis 1964

Zwei weitere Jahre aus Schulz' Lebenswerk

Vier Panels: Im Regelfall benötigte Charles M. Schulz (1922–2000) zeitlebends just so viele Einzelbilder, um seine «Peanuts»-Geschichten zu erzählen. Das Beste an den oft äusserst geistreichen Einzeilern ist, dass man sich diese sowohl für sich allein stehend als auch als Teil von sich über einige Seiten erstreckenden kleinen Episoden zu Gemüte führen kann.

 

Carlsen hat sich mit eine insgesamt 25-bändigen «Peanuts»-Werkausgabe zum Ziel gesetzt, die sämtliche Strips enthält, die Schulz von 1950 bis zu seinem Tod auf Papier gebannt hat. Nun ist Band 7 mit den Erzeugnissen der Jahrgänge 1963/64 (Carlsen, zirka 51 Franken) erschienen – ein über 320 Seiten starkes Buch im Querformat mit einem matt glänzenden Einband, das mit seiner Ausstattung eine formidable Figur im Büchergestell macht. Ein weiteres Plus der Edition besteht zudem im Index und einem Erläuterungsteil. Der vorliegende Band enthält zudem ein Vorwort von Bill Melendez, dem Regisseur der «Peanuts»-Trickfilme und eine Kurzbiografie von Schulz. Inhaltliche Höhepunkte sind unter anderem der Junge 555 95472 sowie das rothaarige Mädchen, in das sich Charly Brown verknallt hat. Selbsredend, dass das Ganze «tragisch» ausgeht... (scd)

 

Überblick über alle erhältlichen Bände »

Liebe, Lust und Leidenschaft

Disney-Klassiker, von «dem Helli» für dich ausgesucht

Die einen finden sie genial, für die anderen stellt sie ein rotes Tuch dar. Daher wird der Erwerb oder Nicht-Erwerb von «Liebe, Lust und Leidenschaft – Die Ducks von Sinnen» (Ehapa, zirka 66 Franken) letztlich alleinig von der Frage abhängen: Möchte ich tatsächlich etwas, das mit Hella von Sinnen zu tun hat, in meinem Bücherregal aufstellen oder nicht? Das ist eigentlich bedauerlich. Denn geboten wird im wirklich sehr schön aufgemachten 2-Kilogramm-Band mit Leinenrücken eine gelungene Auswahl von Duck-Storys aus der Feder von Carl Barks in der Übersetzung von Erika Fuchs. Sympathie für oder Aversion gegen die geübte Selbstdarstellerin und sich für die Rechte der Homosexuellen Engagierenden hin oder her: Ob es die den 21 Kurzgeschichten nachgestellten Kommentare von «dem Helli» (Selbstbezeichnung), die zum Teil über eine blosse und auch nicht sonderlich erhellende Paraphrasierung des Plots nur wenig hinausgehen, wirklich braucht bzw. ob es überhaupt (auch verkaufstechnisch; zudem dürfte ja wohl auch ein nicht zu kleiner Batzen seinen Weg in von Sinnens Sparschwein gefunden haben) Sinn macht, einen (B-)Promi als Verkaufsargument einzusetzen, um eine Comic-Compilation zu verkaufen, darf angezweifelt werden – zumal sich halt immer sofort auch die Frage nach der Glaubwürdigkeit (und eben auch Akzeptanz) des gewählten Werbeträgers stellt. (Den Promo-Auftritt von Hella von Sinnen Sat1 in massgeschneiderter lila Kluft mit einem rückendeckenden Abdruck des Comiccovers bei ihrem Kollegen Hugo «Tutti» Egon «Frutti» Balder in der Quiz-Comedy-Sendung «Genial daneben» beim Stammsender mag jeder so bewerten, wie er will...)

 

Einmal von all diesen Haarigkeiten abgesehen, wird allen, die nicht schon zu viele der Bark’schen Klassiker kennen, (zumindest auf den rund 340 Nur-Comic-Seiten) viel Freude mit dieser bibliophilen Edition beschieden sein. Höchstens diese Warnung sei allen potenziell Kaufbereiten fairerweise doch noch mit auf den Weg gegeben: Der Titel «Liebe, Lust und Leidenschaft» wurde wohl nur aufgrund der (durchaus gelungenen) Alliteration so gewählt; mit den Plots der einzelnen Storys hat er (leider!!!) gar nichts zu tun, was aber nicht so schlimm ist, weil – wie bereits gesagt – die Qualität der Selektion stimmt. (scd)

Witch of the Black Rose – Hextrem Edition

Magischer Rohrkrepierer

Hunderte von Jahren wurden Hexen verfolgt und hingerichtet. Dies will Raven Hex mithilfe eines verbotenen Buches der Menschheit doppelt und dreifach heimzahlen. Zum Glück hat da ja aber auch noch ihr Schwesterherz Tarot, die Hexe der schwarzen Rose, ein Wörtchen mitzureden. Also stürzt die gutgebaute Maid, die dazu auserkoren wurde, die Balance zwischen der magischen und der realen Welt zu wahren, in ihre hautenge Kluft, um sich – unterstützt von ihrem irdischen Liebhaber Jon Webb alias Skeleton Man – ihrer rachsüchtigen Verwandten in den Weg zu stellen.

 

Die Hochglanzseiten von «Tarot: Witch of the Black Rose – Hextrem Edition» (Panini, zirka 50 Franken) bestehen vor allem aus einem: Kurvenreichen Körpern, endlos langen Beinen und Titten, Titten, Titten im XXL-Format. Ein Wunder, dass Tarot überhaupt noch aufrecht gehen kann – bei derart viel Holz vor der Hütte, was durchaus Erinnerungen an den verstorbenen Busen(alp-)traum Lolo Ferrari aufkommen lässt. Selbstredend (aber merkwürdigerweise nicht immer) sind die pikantesten Stellen zeichnerisch verdeckt worden – die kuriosesten Verrenkungen der Protagonistin, spritzendes Wasser und vieles Weitere nach sich ziehend –, um ein Nipplegate zu verhindern. Auch – und das ist dann schon wieder erstaunlicher – den einen oder anderen Cameltoe gibt es zu entdecken. Und natürlich (Dämonen-)Kämpfe satt, bei denen das Blut nur so spritzt. Es braucht wohl kam betont zu werden, dass dieser Auswuchs typisch amerikanischer Bigotterie speiübel macht und eine Linkshandlese erfolgreich zu verhindern weiss – das Prädikat «Empfohlen ab 16 Jahren» wäre also gar nicht notwendig gewesen. Den Vogel diesbezüglich schiesst ein Foto im Innenteil ab, das Autor Jim Balent mit seiner Frau und Zeichnerin Holly Golightly zeigt – verkleidet als Jon und Tarot!!! Storytechnisch übrigens gar nicht einmal so unclever, dürfte der Mix aus Magie und morbidem Softcore (oder in welcher Reihenfolge auch immer) zweifelsohne Scharen von Genrefans in Wallung versetzen. Für alle anderen: Finger weg! (scd)

 

Alle Bände der Serie »

Leseprobe »

100 Meisterwerke

Hundert Comic- als Stellvertreter für Tausende Textseiten?

«Schon die alten Ägypter malten lieber Bilder anstatt Bücher zu schreiben. In dieser Tradition sehen sich auch die in diesem Kompendium vertretenen Künstler. Es ist ihnen gelungen, längst vergessen geglaubte Meisterwerke der Literatur populärwissenschaftlich und mitreissend aufbereitet auf jeweils eine einzige Comicseite herunterzubrechen. Kein Leser dieses genialen Werkes muss sich jemals wieder mit peinlichen Bildungslücken beim Literatentee blamieren!»

 

Komplexitätsreduktion auf unterhaltsame Weise: Diese Ankündigung auf dem Coverrückseite von «100 Meisterwerke der Weltliteratur» (Ehapa, zirka 19 Franken) hört sich extrem vielversprechend an. Wer sich zusätzlich von den drei folgenden Rezensions-Exzerpten einlullen lässt und dementsprechend tatsächlich glaubt, sich ähnlich wie beim (übrigens überaus gelungenen) Trickfilmprojekt www.starzbunniestheater.com bei Kinoklassikern in einer Art Schnellbleiche durch die Essenz der interkulturellen Literatur pflügen zu können, irrt sich leider ganz gewaltig. Denn es handelt sich beim Gros der komplett ohne Worte auskommenden Miniwerke keineswegs – wie als Verkaufsargument in beinahe schon als betrügerisch zu bezeichnenden Weise suggeriert wird – um klassische, sich vor dem Original quasi in Ehrfurcht verbeugende Abstracts in Comicform (was ja im Grunde auch gar nicht schlecht ist), sondern vielmehr um Interpretationen, Parodien, Neuinszenierungen und Weiterschreibungen. Wer die entsprechenden Bücher nicht bereits gelesen hat oder zumindest deren Grundplot kennt, wird meistens auch nach der (dadurch entsprechend ermüdendenden und frustrierenden) Lektüre der Strips keine Ahnung haben, um was es im jeweiligen Werk inhaltlich gehen könnte. Eine Erklärung für den eher experimentellen Ansatz mag vielleicht der Vermerk «als Comix» auf dem Cover sowie der Umstand bringen, dass der Patron der Compilation «Moga Mobo» ist, vor allem durch das gleichnamige, seit 1994 bestehende, kostenlos im Comicbuchhandel erhältliche Comicmagazin bekannt. Falsche Versprechen hin oder her: Spannend ist auf jeden Fall die Fülle an grafischen und erzählerischen Ausformungen einer Künstlerriege, die sich wie bereits bei anderen ähnlichen Projekten aus dem Hause Ehapa wie das Who’s who der deutschsprachigen Comicszene liest, wobei auch Unbekannten ein Forum geboten wird. Wer bereit ist, seine Erwartungen entsprechend herunterzuschrauben, wird mit einer in ihrer Kurzweil interessanten Lektüre belohnt, die aber weit davon entfernt ist, essenziell zu sein. (scd)

Dark Avengers 1

Sturm im Superhelden-Wasserglas

Norman Osborn hat die Menschheit vor den Skrulls gerettet und wurde daraufhin zum obersten Sicherheitschef des Planeten ernannt. Tony Stark, der Anführer der Rächer, wurde im Gegenzug für die Invasion verantwortlich gemacht und seines Amtes enthoben. An seine Stelle rückt nun Osborn, das Alter Ego des Grünen Kobolds: Mit seiner dunklen Version des Superheldenverbandes schmiedet er als Iron Patriot unheilvolle Allianzen – als Erstes mit dem Superschurken Dr. Doom...

 

«Ein neues Kapitel des Marvel-Universums wurde aufgeschlagen. Eines, das es in vergleichbarer Form noch nie gegeben hat. Denn der bisherige Status quo wurden komplett auf den Kopf gestellt», heisst es im Nachwort zu «Dark Avengers 1» (Panini, zirka 22 Franken) von Michael Bendis und Mike Deodato Jr. Das mag zwar schon leicht übertrieben sein, doch es ist durchaus nicht in Abrede zu stellen, dass der «Dark Reign»-Turn interessante Plot-Perspektiven eröffnet. Wer an dieser neuen Entwicklung dranbleiben möchte, kommt um die Anschaffung des Bandes natürlich nicht herum, der trotz seiner spannenden Story und dem wirklich grundsoliden Artwork letztlich jedoch nicht als Klassiker überdauern wird. (scd)

 

Leseprobe »

Hombre 2: Trail's End

Auch die schönste Verfolgungsjagd geht mal zu Ende...

Zur Besprechung des Auftakts von «Hombre» lässt sich kaum etwas hinzufügen. Auch beim nun erhältlichen zweiten und abschliessenden Band «Trail's End» (Cross Cult, zirka 38 Franken) handelt es sich um einen konventionell gestrickten Western (Guter jagt Bösen, dieser entpuppt sich schliesslich als nur als Böser hingestellter ebenfalls Guter, schliesslich vereint jagen die beiden Guten die wirklich Bösen). Einmal von der Irritation der mit ziseliertem Strich braun-weiss ausgeführten Grafik abgesehen, werden neben Wiechmann-bzw, Méndez-Sammlern wiederum vor allem junge Leser auf ihre Kosten kommen. (scd)

 

Infos und Leseprobe »

Resistance 1: Team Alpha

Ego-Shooter-Adaption mit Ladehemmung

1951, in einem Paralleluniversum: Horden einer feindlich gesinnten extraterrestrischen Spezies haben vor, nach der Eroberung Eurasiens nun auch in Nordamerika einzufallen. Zu diesem Zweck hat eine Vorhut der so genannten «Chimera» eine sibirsche US-Militärbasis in ihre Gewalt gebracht mit dem Ziel, die dort gelagerte Atombombe in ihre Gewalt zu bringen. Doch die Aggressoren haben die Rechnung ohne eine kleine, aber äusserst potente Sondereinheit gemacht...

 

Mit viel gutem Willen zur Nachsicht habe ich mich «Resistance 1: Theam Alpha» (Panini, zirka 29 Franken), der Comicadaption des gleichnamigen PS3-Games, angenommen. Schliesslich war «Solid Gear» sooo grottenschlecht nun auch wieder nicht. Der erste Eindruck fällt aufgrund der Grafik von Ramon Pérez – die konträrer zum Look des Ego-Shooters gar nicht sein könnte (was sich jedoch im Hinblick auf die avisierte Klientel verkaufstechnisch als Fehler erweisen dürfte) – durchaus positiv aus. Beim Anlesen macht sich jedoch wegen der lahmen Story jedoch rasch Ernüchterung breit. Selten hat man weniger dynamische Actionszenen und wohl noch nie weniger furchteinflössende Monsteraliens gesehen. Da besitzt die von einem anderen Zeichner ausgeführte Zusatzgeschichte um den Protagonisten James Grayson schon etwas mehr Potenzial. Fazit: Auch für «Resistance»-Nerds nicht zwingend. Das Geld legt der anspruchsvollere SciFi-Fan besser in die DVD des vorzüglichen Films «District 9» an, die im März auf den Markt gebracht wird. (scd)

Marvel Zombies 3

Alle Untoten sind schon da, ale Untoten, alle

Zerfledderte Marvel-Helden und -Schurken, als nach Menschenfleisch gierende Zombies durch die Landschaft schlurfend – dieses Szenario wird in «Marvel Zombies» buchstäblich bis zum Exzess durchgekaut. Den Anfang machte Ende 2006 das arrivierte Duo Robert Kirkman (Autor von «The Walking Dead») und Sean Philipps (Zeichner von «Criminal») – jetzt liegt der dritte Band (Max 31, Panini, zirka 26 Franken) vor. Hier scheinen die Romero'schen Gesellen einen Weg aus ihrem Paralleluniversum gefunden zu haben – rein in die noch nicht infizierte Heldenwelt der Initiative.

 

«Marvel Zombies 3» kann ausschliesslich absoluten Genre-Fans ans Herz gelegt werden: Zu abgelutscht kommt die Grafik von Ker Walker daher, zu wenig wirklich bekannten Charakteren (Deadpool: kurz, Captain America: ultrakurz) wird in der blutrünstigen Mär ein Auftritt zugestanden, als dass sich die Lektüre wenigstens im Ansatz lohnen könnte. (scd)

 

Leseprobe »

Frankenstein 1: Das Gesicht

Gänsehaut bereitet höchstens die Qualität

Der Stoff von Mary Shelleys «Frankenstein» (1818) fasziniert noch immer. Da liegt es nahe, dass der amerikanische Horror-Bestsellerautor Dean Koontz sich dazu entschlossen hat, seine upgedatete Version des Gruselklassikers als Roman-Trilogie (ursprünglich hätte das Ganze von Martin Scorsese auf die grosse Leinwand gebracht werden sollen) auf den Markt zu spülen. Der 64-Jährige respektive sein Verlag scheint nun wie im Falle des noch etwas erfolgverwöhntereren Kollegen Stephen King («Der dunkle Turm») das Medium Comic entdeckt zu haben – die Adaption besorgte Chuck Dixon (Untertitel «Das Gesicht», Panini, zirka 29 Franken).

 

Ob der Coup jedoch auch hier gelingt, scheint nur schon aufgrund des wenig attraktiven, mangaähnlichen, mit filigranem Strich umgesetzten Artworks von Brett Booth fraglich, vom nicht gerade berauschenden Plot, der zwar spannende Ansätze aufweist, aber leider Gottes dem Altbekannten erschreckend wenig Neues hinzuzufügen vermag, einmal abgesehen. Auch wäre es zumindest für den deutschsprachigen Raum verkaufstechnisch wohl gescheiter gewesen, etwas abzuwarten und die ganze Story in einem einzigen Sammelband zu fassen. Wie bei King, bei dem das Gros der Filmadaptionen seiner Romane als desaströs bezeichnet werden muss, zeigt sich auch hier eindrücklich, dass im Horrorgenre die aufoktroyierte Visualisierung eines sonst aufgrund des für sich allein stehenden Textes individuell Imaginierten ein höchst riskantes Unternehmen darstellt. (scd)

 

Inhaltsangabe der Romanvorlage-Trilogie »

Shinanogawa 1+2

Die Last der Lust

Der dunkle Fluss Shinanogawa, an dem sie geboren wurde, scheint ihr Leben vorzubestimmen: Yukie Takano, Tochter aus gutem Hause, gerät bereits während ihrer Jugend Anfang des 20. Jahrhunderts in Japan in einen unaufhaltsamen Strom unglücklicher Liebschaften, der ihr schliesslich die Ächtung ihres Heimatdorfs einbringt und sie in die Metropole Tokyo treibt.

 

Das zweibändige Werk «Shinanogawa» von Autor Hideo Okazaki und Zeichner Kazuo Kamimura (Carlsen, zirka 24 Franken je Band) ist nicht das, was die breite Leserschaft von einem Manga erwarten würde. Reflexartig assoziiert man den bekannten Stil des Zeichners Kamimura mit seinem bekanntesten Werk «Lady Snowblood» und erwartet dasselbe Blutbad wie im genannten Racheepos. «Shinanogawa» kommt jedoch – im positiven Sinne – überraschend unspektakulär daher. Die schwarzweissen Zeichnungen erzeugen mit ihren kleinformatigen Panels einen gemächlichen Lesefluss, der einen sofort in seinen Bann zu ziehen vermag. Erwähnenswertes Detail sind die gestalterisch interessant gezeigten poetischen Metaphern während der erotischen Szenen. Diese verhindern, dass die geheimnisvolle Grundstimmung durch profane anatomische Zeichnungen beeinträchtigt wird. Am auffälligsten ist jedoch die Protagonistin des Werks: Durch die hautnahe Beschreibung ihrer Erlebnisse entsteht beim Leser eine starke Empathie, die jedoch durch die manchmal nicht nachvollziehbaren Handlungen der Figur wieder zurückgeht. So kann beim Leser Yukie Takano gegenüber eine seltsame Faszination entstehen, wie sie auch von anderen Figuren in der Handlung beschrieben wird. Auf einige wird der Comic stellenweise langatmig wirken, doch offene Leser erwartet ein ergreifendes, ästhetisch hoch stehendes und erotisches Drama über vier Jahrzehnte Liebesmüh im Leben einer tragischen Figur. (ras)

 

Weitere Informationen zur Serie »

Tim und Struppi Farbfaksimile 9: Der geheimnisvolle Stern

Kosmisches sorgt in Kriegszeiten für Fantastik

Mit dem Band «Der geheimnisvolle Stern» (1941/42), der nun als Farbfaksimile-Druck vorliegt (Band 9, Carlsen, zirka 33 Franken), kam es zu einer einschneidenden Änderung im «Tim und Struppi»-Universum: Aufgrund der Papierknappheit in den Kriegsjahren sind ab diesem Zeitpunkt alle Alben uniform auf 64 Seiten angelegt und erscheinen bereits in der Urfassung – allem anfänglichen Sträuben Hergés zum Trotz – komplett in Farbe.

 

Ebenfalls der politisch wirren Zeiten und der damit verbundenen drohenden Zensur wegen – Belgien war von den Nazis besetzt, «Tim in Amerika» durfte nicht mehr erscheinen – erfolgte eine Hinwendung zum Fantastischen. Alles Realpolitische wurde entsprechend konform zurechtgebogen: Das geht sogar so weit, dass Hergé die Nationalität der Wissenschafler in «Der geheimnisvolle Stern» den Achsenmächten oder neutralen Staaten zuordnet, während die gegnerische Expedition aus den USA kommt (später folgte die Abänderung der Zugehörigkeit zum Fantasieland San Rico). Zudem trägt der langnasig, fleischlippig, bebrillt und glatzköpfig entsprechend stereotyp gezeichnete Unterstützer der Bösen einen jüdischen Namen und ist – o Wunder! – Banker. Trotz einer später umgesetzten Namensänderung blieb eine jüdische Herkunft aufgrund der Unwissenheit Hergés erhalten, worüber sich dieser im Nachhinein sehr aufgeregt haben soll. Detail am Rande: Das Forschungsschiff «Aurora» wäre, so wie es zeichnerisch umgesetzt worden ist, gar nicht seetüchtig – als Folge davon intensivierte Hergé für den Folgeband «Das Geheimnis der Einhorn» seine technischen Recherchen. Die Farbfaksimile-Ausgabe dieses Bandes ist auf Ende Januar 2010 anberaumt. (scd)

 

Überblick der bisher erschienenen Bände der Reihe »

Ente in Antik – Orakel und andere Debakel

Historisches – unter Duck'schem Vorzeichen neu erzählt

«Ente in Antik» (Ehapa, zirka 27 Franken) versammelt elf nicht ganz ernst gemeinte Historiencomics mit Zeitreisenden, Ahnen, Doppelgängern (oder was auch immer) aus dem Entenhausen-Kosmos. Der älteste Beitrag des Bandes, der in der Reihe «Enthologien» erscheint, datiert von 1970, der neueste von 1997. Den Anfang macht «Die Irrfahrten des Dodysseus». Diese Duck'sche Fassung des Homer-Klassikers hätte ich persönlich viel lieber in der Micky&Goofy-Version gelesen, aber diese wurde halt bereits für «Eine komische Historie» verwendet. Letztlich ist es natürlich so oder so Geschmacksache, ob man sich eher dem Universum der Ente oder demjenigen der Maus verbunden fühlt.

 

Fakt ist aber, dass es von ganz schön grosser Naivität zeugte, dem Versprechen «Selten war so spielerisch Geschichte gelernt» auf dem Hardcover-Buchrücken Glauben zu schenken. Einer jungen Leserschaft mögen die Comicfassungen zwar schon auf eine gewisse richtige Fährte in punkto Antike und griechische Mythologie führen, doch aufgrund der betriebenen Geschichtklitterung kann natürlich von wirklichem Wissen keine Rede sein – was selbstredend der Unterhaltsamkeit keinen Abbruch tut. (scd)

 

Überblick der bisher erschienenen Bände der Reihe »

Final Crisis 7

Ein weiterer Markstein im ewigen Steigerungsspiel

Die Erde und das Multiversum sind verloren: Das Anti-Leben durchdringt alles! Doch wenn Superman sich nicht im Limbus verliert, so kann er vielleicht Hilfe in den Tiefen des Multiversums finden. Hoffentlich, denn es droht Gefahr durch den bösen Monitor Mandrakk.

 

Und nebenbei beisst noch Batman ins Gras... Der letzte Band der siebenteilige Reihe «Final Crisis» (Panini, zirka 22 Franken) von Grant Morrison und Doug Manke, der mit 3D-Sequenzen und einer beigelegten Brille lockt, dürfte für Anhänger eine Offenbarung sein – für Quereinsteiger ist er vom Verständnis her schlicht und einfach inkonsumerabel. Daher: Entweder sich die ganze Serie zulegen und sich in die Materie reinknien oder die Finger davon lassen. (scd/pd)

 

Special zur Reihe bei Panini »

Kommentar schreiben

Kommentare: 0