The Surrogates

Das Leben übernehmen die Roboter

Ein neuer amerikanischer Comic zeigt die nahe Zukunft einer trägen Menschheit. Und könnte schon bald auch hier die Kinokassen klingeln lassen.

Im Vorfeld der Hollywood-Adaption mit Bruce Willis in der Hauptrolle erscheint der erfolgreiche amerikanische Comic «The Surrogates» nun auch in deutscher Übersetzung. Die Geschichte spielt in einer nahen Zukunft, die sich dadurch auszeichnet, dass die Menschen ihre Wohnungen praktisch nicht mehr verlassen und in die Aussenwelt nur noch via von ihnen gedankengesteuerten Robotern betreten.

 

Wir sprachen mit dem Autor Robert Vendetti über sein Szenario und inwiefern dieses zur Realität werden könnte.

Comic-Check: In ihrer Geschichte nehmen Sie einige Entwicklungen auf, mit der die heutige Gesellschaft konfrontiert wird. Die beiden Hauptthemen sind das Leben in virtuellen Umgebungen, wie zum Beispiel in der Computersimulation «Second Life», sowie der Jugend- und Schönheitskult. Wie sind sie auf die Idee gekommen diese zwei Phänomene in Ihrem Comic zu kombinieren?

 

Robert Venditti*: Ich habe beobachtet, was um mich herum geschieht. Die Menschen verbringen so viel Zeit in Chatrooms und Online-Spielen, und gleichzeitig herrscht ein Trend sich bei Bedarf durch plastische Chirurgie Schönheit zu kaufen. Es kam mir der Gedanke, dass, falls die Technologie das Schaffen einer idealisierten Version des eigenen Ichs erlauben würde, viele Leute dieses in die richtige Welt schicken würden, statt es nur im Computer zu lassen.

 

Denken sie, dass dieses System, Roboter-Stellvertreter für einen leben zu lassen, zur Wirklichkeit werden könnte?

 

Venditti: Ich glaube absolute daran, dass die Technologie es den Menschen erlauben wird, das Leben durch Maschinen zu erfahren. Aber ob es auf eine solch tiefgreifende Art, wie ich es in meinem Buch zeige, geschieht, wird sich erst noch zeigen.

Nun wurde Ihre Geschichte mit Bruce Willis verfilmt. Einige Comic-Autoren stehen Film-Adaptionen ihrer Werke sehr kritisch gegenüber. Wie sieht das bei Ihnen aus?

 

Venditti: Für mich ist das Resultat ein unterhaltsamer Film, einfach ein bisschen action-orientierter als das Buch. Ich betrachte es als Kompliment, dass sich Drehbuchschreiber, Schauspieler und der Regisseur Zeit und Mühe in die Verfilmung investiert haben. Ich wollte von Anfang an, dass sie ihre Freiheit bei der Umsetzung haben und versuchte nicht die Sache zu kontrollieren.

 

War es nicht schwierig für sie Kompromisse bezüglich Ihres Werks zu machen?

 

Venditti: Es wird immer Änderungen geben, wenn man einen Comic verfilmt. Aus dem einfachen Grund, weil es sich um zwei verschiedene Medien handelt. Wenn man nicht will, dass das passiert, dann soll man den Vertrag einfach nicht unterschreiben.

 

Von den Farben und der Gestaltung her, unterscheidet sich der Film ziemlich vom Comic. Wie stehen Sie dazu?

 

Venditti: Ich denke, dass es schwierig ist, das einzigartige Talent von Brett Weldele (der Zeichner von «The Surrogates», Anm. d. Red.) – Stimmungen und Geschichten über die Farbe zu erzählen – in ein anderes Medium zu übertragen. Es überrascht mich nicht, dass sich das Film-Team für einen anderen Ansatz entschieden hat.

Bei «The Surrogates» handelt es sich um Ihr Comic-Debüt – und nun wird es in mehreren Länder Europas veröffentlicht. Haben Sie mit einem derartigen Erfolg gerechnet?

 

Venditti: Es ist mein erstes Buch, also habe ich zunächst einmal einfach gehofft, einen Verlag in Amerika zu finden. Der Gedanke, dass es einen Markt dafür in anderen Ländern geben könnte, ist mir nie gekommen. Ich bin sehr zufrieden und dankbar.

 

Ihr Comic wird zwischen den Kapiteln von fiktiven Nachrichtenartikeln und Werbeprospekten für Roboter unterbrochen. Diese Stilmittel wurden bereits im Comic-Klassiker «Watchmen» von Alan Moore verwendet.

 

Venditti: «Watchmen» selbst war keine spezielle Inspiration für mich. Aber das Werk Moores schon. Er ist derzeit einer der besten Comic-Autoren. Seine Comics sind sehr literarisch und sind zutiefst subtextual. Das hoffe ich in meinen Geschichten auch zu erreichen.

 

Was können wir in Zukunft von Ihnen erwarten? Werden Sie dem Science-Fiction-Genre treu bleiben?

 

Venditti: Es gibt noch viele Geschichten aus dem «Surrogates»-Universum übrig, die noch erzählt werden können. Darüber hinaus habe ich einen politischen Comic-Thriller namens «The Homeland Directive» geschrieben, der 2010 in Amerika publiziert wird. Zudem adaptiere ich die Fantasy-Buchreihe «Percy Jackson» ins Comic-Genre.

 

Das Interview führte Sasa Rasic im Herbst 2009

 

*Robert Venditti (35) ist Comic-Autor und lebt in den USA in Atlanta. Die Verfilmung seines Debüts «The Surrogates» mit Bruce Willis in der Hauptrolle soll ab Januar 2010 in den Schweizer Kinos anlaufen.

Kritik

SciFi-Thriller mit Tiefgang

Amerika im Jahr 2054: Die Mehrheit der Menschen verlässt die Wohnungen nicht mehr und lässt sich in der Öffentlichkeit nur noch durch Technologie und Gedankenkraft gesteuerte Roboterstellvertreter, genannt Surrogate, repräsentieren. Sichtbares Altern gehört der Vergangenheit an, Unfälle verursachen nur Sachschaden. Doch ein «Terrorist» zerstört die Idylle, indem er Surrogate zerstört und die Menschen so zwingt, ihren Alltag wieder auf die ursprüngliche Weise zu bestreiten. Der Polizist Harvey Greer begibt sich auf die Jagd – und beginnt allmählich am Sinn der Surrogate zu zweifeln.

 

Bereits nach den ersten Kapiteln erkennt man, dass «The Surrogates» (Cross Cult, zirka 44 Franken) von Robert Vendetti und Brett Weldele die ambitionierte Spagat zwischen Thriller und philosophischen Betrachtungen zum Thema Leben gelingt. Auch grafisch vermag der Einzelband zu überzeugen. Besonders auffallend ist die Farbgebung, welche Stimmungswechsel exakt einfängt. Der häufige Wechsel der Panelgrösse trägt die Dynamik des spannenden Plots mit. Erfrischend ist auch der teilweise skizzenhafte Strich, der die Figuren oft krud, aber dafür organischer aussehen lässt und so einen Gegenpol zu der sterilen Ästhetik vieler anderer Comics (und ebenfalls ganz eklatant zur von Kritikerseite nicht gerade mit Lorbeeren überhäuften CGI-Hochglanz-Filmadaption mit Bruce Willis in der Hauptrolle, der Ende Januar 2010 in die hiesigen Kinos kommt, abweicht) bildet. Nur ein leicht abrupter Schluss trübt den Gesamtausdruck dieses Bandes, der ohne Zweifel zu den empfehlenswertesten Comic-Erscheinungen des Jahres gehört. (ras)

 

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