Daniel Clowes

Meister des Absurden und Unspektakulären

Autor und Zeichner Daniel Clowes ist dieses Jahr Stargast des Luzerner Comix-Festivals Fumetto. Wir zeigen eine Werkschau des Ausnahmekünstlers.

Ein unsympathischer Versager mittleren Alters, ein Protagonist mit dem viel sagenden Namen «David Boring» und zwei tratschende Teenager. Mit solchen Hauptfiguren scheint es fast ein Wunder zu sein, dass Künstler Daniel Clowes seine Werke überhaupt unter die Leute zu bringen vermag. Grund genug, den Stargast des diesjährigen Fumetto etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

 

Die offensichtlichsten wiederkehrenden Motive im Werk des 49-jährigen Amerikaners, der bereits mit mehreren der wichtigsten Comic-Preise inklusive Eisner- und Harvey-Award ausgezeichnet wurde, sind ohne Zweifel das Absurde und das Unspektakuläre. Wobei diese in früheren Werken eher getrennt vorkommen. So ist die Handlung eines seiner bekanntesten Werke «Ghost World» (Reprodukt, zirka 20 Franken), das 2001 auch unter dem gleichen Titel verfilmt wurde und für dessen Drehbuch Clowes sogar für den Oscar nominiert war, ziemlich trivial. Im 1997 erstmals erschienen Einzelband langweilen sich die Teenager Enid und Rebecca in ihrem Wohnort, einer US-Kleinstadt. Es gibt nichts zu tun und die Zukunftsaussichten sind ebenfalls nicht rosig. So vertreiben sich die beiden die Zeit, indem sie den Leuten in ihrer Umwelt auf die Nerven gehen.

Völlig anders sieht es in einem seiner früheren Werke aus: Dem 1993 erstmals herausgegebenen Band «Wie ein samtener Handschuh in eisernen Fesseln» (Reprodukt, zirka 28 Franken). Protagonist Clay ist von einer Schauspielerin besessen, die er in einem Film im Erotik-Kino gesehen hat und macht sich auf die Suche nach ihr. Schritt für Schritt tritt er immer tiefer in eine bizarre Welt ein, die er nicht versteht – inklusive Hunden ohne jegliche Körperöffnungen, halbnackten Detektiven, die ihm nach dem Leben trachten und einem Ende, das den Leser mehr als ratlos zurück lässt.

 

Typisch für Clowes' Stil ist das fast inexistente Spiel mit den Farben. So kommen die erwähnten Werke nur mit türkiser Kolorierung aus oder sind im Falle des letzteren völlig farblos. Die Panels orientieren sich an älteren Comics aus den 1950er- und 1960er-Jahren und weichen nur selten von dem neun Panels pro Seite beinhaltendem Schema ab. Einzigartig für Clowes sind ebenfalls die plastischen Nahaufnahmen von Gesichtern, bei denen man jede Falte und Furche oder ganz einfach die Resignation seiner Antihelden gegenüber ihrer Welt auch wortlos erkennen kann.

Eine Symbiose des Absurden und Trivialen findet sich in der in diesem Jahr erstmals als Einzelband erschienen Geschichte «David Boring» (Reprodukt, zirka 30 Franken). Der Titel gebende, 19-jährige Protagonist muss in der abgedrehten Handlung aufgrund seiner Obsession für ein Mädchen beinahe sein junges Leben lassen. Zur Genesung wird er von seiner Mutter und seiner Mitbewohnerin in die Provinz verfrachtet. Als die Nachricht eines Angriffs auf die USA mit biologischen Waffen zu ihnen dringt, sind sie gezwungen in der Einöde auszuharren. Während die Mehrheit der Comic-Künstler dies als Anlass für einige Action-Szenen nehmen würde, fokussiert sich Clowes lieber auf die Langeweile der festsitzenden Gruppe. Auch in diesem Werk wird nur vereinzelt, im Rahmen eines Nebenplots, Farbe eingesetzt.

Bemerkenswert ist ebenfalls die ursprüngliche Publikationsart von Clowes' Werken. Die genannten Werke wurden alle episodenweise in Clowes' Magazin «Eightball» veröffentlicht und erschienen erst später in Bänden. Nun wurde dieses Jahr erstmals eine seiner Geschichten zuerst als Einzelband veröffentlicht. In «Wilson» (Eichborn, zirka 31 Franken) beschreibt er in eine Seite umfassenden, jede in einem anderen Zeichenstil ausgeführten Episoden das Leben seiner Hauptfigur. Der unsympathische Mittvierziger Wilson, welchen man ohne Weiteres als Mensch gewordenen Sarkasmus bezeichnen könnte, beschliesst nach dem Tod seines Vaters seine Ex-Frau, die er verlassen hat, als sie schwanger war, wiederzufinden. Und macht in der guten Absicht, die Familie wieder zusammenzubringen, die ganze Lage für alle Involvierten nur noch schlimmer. Neu hierbei sind auch die komplette Kolorierung des Werks und der in früheren Werken eher seltene Humor, der hier wunderbar trocken und tragikomisch daher kommt. Gelungen ist wieder Clowes' Grundkonstante: Das Zusammenspiel des eher trivialen Lebens der Hauptfigur und der absurden Situationen, in die sie sich hineinmanövriert.

 

Sasa Rasic, im April 2011

(zuerst erschienen in der «Neue Luzerner Zeitung»)

 

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