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Flameboy – der Comic-Künstler aus der Hölle

Von den einen gehasst, von den anderen verehrt: Der englische Comic-Zeichner Flameboy hat drei eindrucksvolle Biografien von Ikonen der Pop-Kultur geschaffen.

Du bist mit deinem Comic über den Nirvana-Sänger Kurt Cobain international bekannt geworden. Trotzdem schreibst du unter einem Pseudonym...

Flameboy: Ich bekam den Übernamen Flameboy vor langer Zeit - eine merkwürdige Geschichte. Ich entschied mich, bei der Cobain-Biografie «Godspeed» unter diesem Namen aufgeführt zu werden, weil ich dachte, das sei ein toller Scherz. Ich bin so was von froh, dass ich das seinerzeit getan habe. Denn einige der Aufmerksamkeit, die ich bekommen habe, war sehr nervend. Vor allem, was die Todesdrohungen anbelangte.

 

Todesdrohungen?
Flameboy: Mit einem Male bekam ich Todesdrohungen von wütenden Nirvana-Fans, die von der Idee bestürzt waren, ihr Idol in einem Comic-Buch zu sehen. Es gab Stalker, die herauszufinden versuchten, wo ich wohne. Es gab Mädchen, die mir Abschiedsbriefe schickten, in denen sie schrieben, dass sie sich für mich umbringen würden. Verrückte und bizarre Sachen. Aber ich bin nicht reich oder sonst was. Ich habe nur einige Bücher herausgegeben, das ist alles.

 

... und bist damit quasi über Nacht bekannt geworden...
Flameboy: Falls ich Superhelden-Geschichten gezeichnet hätte, wäre mir wohl höchstens halb so viel Aufmerksamkeit geschenkt worden. Aber auf Grund der Art der Bücher, an denen ich gearbeitet habe, denke ich, dass ich mehr bekommen habe, als ich eigentlich verdient hätte. Deshalb möchte ich meine Personalien nicht bekannt geben. Ich denke, die meisten Leute wissen, dass ich in England lebe. Falls es sich besser macht, kannst du das auch streichen und schreiben, dass ich wirklich ein Dämon namens Flameboy aus der Hölle bin, der nach Befreiung sucht. Dies könnte sogar wahr sein.

Wie bist du eigentlich zum Comic-Zeichnen gekommen?
Flameboy: Obwohl ich Mini-Comicstrips und einmalige Einseiter in Magazinen hatte, war «Godspeed» für mich mein erstes wirkliches Comic-Buch. Ich wollte Comics zeichnen, seit ich ein Kind war. Ich wuchs mit Superhelden-Titeln von Marvel und DC auf und begann in den 80ern, Frank Millers «Sin City» zu lesen. Ich denke, der grösste Einfluss ging von Jack Kirbys Arbeiten an «Die Fantastischen Vier», «Hulk», «Captain America» und «Thor» aus. Sein Werk brachte mich dazu, einen Stift in die Hand zu nehmen und loszuzeichnen. Ich habe nach wie vor Ehrfurcht vor seinen Comics.

In der europäischen Comic-Tradition zeichnet sich oft ein einzelner Autor für einen ganzen Comic verantwortlich. Du hast deine Comic-Bücher jedoch im Team mit den beiden Autoren Barnaby Legg und Jim McCarthy geschaffen...
Flameboy: Nun, um ehrlich zu sein: Ich habe Barnaby und Jim bislang nur ein einziges Mal persönlich getroffen. Das war bei den Vorbesprechungen zu «Godspeed». Die ganze weitere Zusammenarbeit lief per E-Mail über den Verlag: Die beiden schickten mir ihre Scripts und ich fertigte Seitenentwürfe an. Wenn alle damit einverstanden waren, führte ich die Seiten mit Tusche zunächst schwarz-weiss und nachher farbig aus. Es gab tatsächlich keine Spannungen während des Arbeitsprozesses.

 

Eigentlich bist du ja mehr ein Rock-Fan, wie ich gehört habe. Weshalb denn nun mit Eminem und Tupac Shakur gleich zwei Biografien von Rappern?
Flameboy: Nun, die Vorschläge kamen von meinem Verlag. Ich hätte eigentlich lieber eine Bio von Elvis oder von Alice Cooper gemacht. Ich musste eine Menge Recherchen betreiben: Bei «Eminem» war es vor allem die DVD «8 Mile», die ich mir immer und immer wieder anschaute. Im Gegensatz zu Cobain und Tupac ist sein Leben ja noch nicht zu Ende - vielleicht gibt es einmal eine Fortsetzung des Comics... Ob Eminem meine Biografie gelesen hat oder überhaupt kennt, weiss ich indes nicht.

 

Wie ist eigentlich das Verhältnis von Realität und Fiktion in deinen Biografien?
Flameboy: Am besten kann ich die Frage beantworten, indem ich sage, dass wir ein Comicbuch mit einer fixen Anzahl Seiten produzieren. Deshalb kommst du gar nicht umhin, gewisse künstlerische Eingriffe zu machen. Die Bücher sind nicht als definitive Biografien zu verstehen und sollten nicht zu ernst genommen werden. Sie sind ein Stück Comic-Kunst, eine Lektüre des Abends zur Erholung.

 

Was sind deine nächsten Projekte?
Flameboy: Ich werde Storyboards für neue TV-Trickfilm-Serien ausarbeiten. Es ist mir aber nicht erlaubt, zurzeit mehr Informationen darüber zu geben. Allerdings würde ich gerne auch noch weitere Comic-Bücher machen.

 

Dave Schläpfer, im September 2005

 

Flameboys Homepage »

Bio-Trio
Die Comic-Biographie «Godspeed» von Kurt Cobain schlug bei ihrem Erscheinen Ende 2003 wie eine Bombe ein und sorgte für heftige Kontroversen. Nirvana-Fans sprachen von Ausverkauf, und der Zeichner Flameboy erhielt Todesdrohungen (siehe Interview). Auf Grund des durchschlagenden Erfolgs hat Flameboy inzwischen zwei weitere Biografien der Rapper-Legenden Eminem und Tupac Shakur geschaffen. Alle drei grossformatigen Bände zeichnen sich durch ihre bibliophile Aufmachung aus und kommen sehr edel daher. Sie beweisen, dass sich das Medium Comic durchaus für Biografien eignet, wobei sich oftmals die Grenzen zwischen Realität und Fiktion vermischen. Flameboys zeichnerische Darstellung der Hauptpersonen sind durchs Band überaus gelungen und authentisch. Nur bei «Eminem» scheint der Zeichenstil sehr heterogen, was irritiert. Schlichtweg grossartig ist die Erzählstruktur, zu der auch Flamboys Autorenteam Legg/McCarthy wesentlich beigetragen hat. Im Grossen und Ganzen sind «Godspeed» und «Eminem» nicht nur für Fans dieser beiden Pop-Ikonen sehr zu empfehlen. Für eine Bewertung der Tupac-Shakur-Bio, die im Frühjahr 2006 auf Deutsch erscheint, ist es noch zu früh. Die ersten Bilder vermitteln jedoch einen sehr stimmigen Eindruck und machen Lust auf mehr. (scd)

 

Flameboy/Legg/McCarthy: Kurt Cobain - Goodspeed. Sein Leben als Comic. / Eminem - In My Skin / Death Rap - Tupac Shakur. Ein Leben. Schwarzkopf & Schwarzkopf, je zirka 35 Franken.

 

Infos und Leseproben zu den drei Comics »

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