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Der Zombie ist untot, es lebe der Zombie

Hier von einem Comeback zu reden, wäre etwas ironisch. Aber die Zombies sind einfach nicht totzukriegen und überschwemmen zurzeit regelrecht den Comic-Markt.

 

Spätestens seit George A. Romeros legendären Film «Night of the Living Dead» aus dem Jahre 1968 sind Zombies nicht mehr aus der Populärkultur wegzudenken. In unregelmässig wieder kehrenden Wellen kommt das Thema der lebenden Toten immer wieder auf. Und zurzeit scheinen wir uns wieder in so einem Boom zu befinden. Unser Comic-check.ch-Schwerpunkt zeigt einen Überblick über das Geschehen. Und generell für diese neueste Welle kann man mit dem Fazit schliessen, dass das Zombie-Genre höchstwahrscheinlich seinen Zenit erreicht hat und die Kreativität der Macher langsam aber sicher zu schwinden beginnt. Dies erkennt man vor allem an der Tatsache, dass die reine Darstellung eines Zombie-Angriffs inklusive Überlebenskampf nicht mehr reicht. Die Nebenaspekte gewinnen an Bedeutung und rücken in den Vordergrund.

 

Psychische Abgründe
und Realismus

Ein gutes Beispiel ist dafür ist die überaus erfolgreiche Comic-Serie «The Walking Dead» (Cross Cult, zirka 16 Euro/23 Franken je Band). Hier leiden die Protagonisten auch unter einer Zombie-Apokalypse par exellence, jedoch fokussiert sich die Geschichte vor allem auf die sozialen Spannungen der Überlebenden, ihren Schmerz, die Furcht und ihre psychischen Abgründe. Besonders gut ist dies auch in der Adaption im Fernsehserien-Format zu sehen, welche die Serie unlängst beim amerikanischen Kanal HBO erlebte. Zwar übernimmt die Verfilmung trotz wesentlichen Änderungen in der Handlung die wichtigsten Elemente und behält vor allem die psychologische Tiefe bei. Was wahrscheinlich auch daran liegt, dass Autor Robert Kirkland auch bei der Produktion der Fernsehepisoden mitwirkt.

 

Einen ebenfalls innovativen Zugang zum Thema hat Autor Max Brooks gefunden. Mit seinem «The Zombie Survival Guide» Ratgeber in Buchform ignorierte er die Tatsache, dass Zombies nur fiktive Gestalten sind und sorgte vor allem auf dem amerikanischen Markt für Aufsehen. Der detaillierte, quasi-realistische Leitfaden für das richtige Verhalten während eines Zombie-Angriffs beinhaltet eine Auflistung «historisch überlieferter» Epidemien. Diese wurden vom Zeichner Ibraim Roberson kürzlich auch zeichnerisch festgehalten (Panini, zirka 17 Euro/24 Franken, Rezension am Ende des Artikels). Weitere Erweiterungen des Genres zielen vor allem auf das Parodieren des Themas ab, wie es etwa die britische Komödie «Shaun of the Dead» aus dem Jahr 2004 und 2009 der amerikanische Film «Zombieland» vollbrachten, oder beinhalten das Anreichern bestehender Geschichten mit den wandelnden Toten. Ein Beispiel für Letzteres stellt der Comic «Victorian Undead: Sherlock Holmes vs Zombies» (Panini, zirka 17 Euro/ 24 Franken). Darin kommt der Meisterdetektiv einer drohenden Zombie-Epidemie auf die Spur (Rezension am Ende des Artikels).

 

Stinkende Superhelden und vermoddernde Gutbürger

Den Einfall von Zombies in bereits bestehende Geschichten thematisiert ebenfalls der amerikanische Comic «Marvel Zombies» (Panini, zirka 17 Euro/24 Franken pro Band, Sammelbände zirka 30 Euro/ 44 Franken). In der Mini-Serie vom üblichen Verdächtigen, «The Walking Dead»-Autor Robert Kirkland, und Zeichner Sean Philips («Criminal») wird das bekannte Marvel-Superheldenkollektiv und einige ihrer Widersacher mit einem Zombie-Virus infiziert.

 

Ähnlich aber mit mehr Humor geht die Sache der Comic «Stolz und Vorurteil und Zombies» (Panini, zirka 17 Euro/24 Franken) an. Der zuerst in Buchform erschienene, vom Autor Seth Grahame-Smith angereicherte Literatur-Klassiker von Jane Austen, wirbelt den eher als trocken wahrgenommenen Roman über das Leben der englischen Oberschicht im England des frühen 19. Jahrhunderts deutlich auf. So werden die Entwicklungen auf dem damaligen Heiratsmarkt nun mit Ninjas, Zombies und vor allem blutigen Kämpfen aufgelockert (Rezension am Ende des Artikels).

Mit «Der Zombie Survial Guide» (Panini, zirka 24 Franken) liegt der Max Brooks, dem Sohn des Komikers Mel Brooks («Spaceballs») nun auch in Comicform vor. Mit Humor oder Ironie hat der Band mit dem Untertitel «Dokumentierte Angriffe» im Gegensatz zur Buchvorlage, die detailverliebt beschreibt, wie die Menschheit im Falle einer Zombie-Apokalypse zu reagieren hat, jedoch nicht allzu viel zu tun. Vielmehr werden in chronologischer Reihenfolge auf 144 Seiten zwölf quasi-authentische Zombie-Attacken dargebracht – von der Steinzeit über das Alte Japan und Afrika zur Zeit des Sklavenhandels bis hin zur US-Westküste in der Gegenwart.

 

Leider geben Brooks «Beweise», dass Untote tatsächlich unter uns wandeln, im Vergleich zu ähnlichen Publikationen, in denen es um Aliens oder krude Verschwörungstheorien geht, nicht allzu viel her und es ist auch nicht unbedingt so, dass die Episoden extrem raffiniert gestrickt wären. Trotzdem lohnt sich die Anschaffung für alle Zombie-Fans auf jeden Fall, denn beim «Survival Guide» handelt es sich in erster Linie um ein (morbides) Fest für die Augen: Zerplatzende Köpfe, von den Leibern in Fetzen hängendes Fleisch, abgetrennte Gliedmassen, herausstehende Knochen, haufenweise monströse Fratzen – Zeichner Ibraim Roberson hat ganze Arbeit geleistet und die Metzeleien bis ins kleinste Detail genau optisch in Szene gesetzt. Wohltuend aus der Masse herausstechend dabei ist die Umsetzung in Grautönen, in der Plastizität der Körper an Altmeister Richard Corben («Den») erinnernd. (scd)

 

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Sherlock Holmes und sein Kollege Watson hatten es schon öfters mit übernatürlichen Phänomenen zu tun. Meistens ist es für sie keine Schwierigkeit den Spuk als Täuschung zu entlarven. Doch diesmal scheint dies nicht möglich zu sein. Das Detektiv-Duo wird zu Hilfe gerufen, da in Londons Strassen immer mehr wandelnde Leichen auftauchen und die Bürger durch Bisse infizieren. Holmes und Watson machen sich auf die Suche und entdecken in den Katakomben der viktorianischen Metropole Unglaubliches.

 

«Victorian Undead: Sherlock Holmes vs Zombies» (Panini, zirka 17 Euro/ 24 Franken) ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie Zombies in bestehende Erzählwelten eingeflochten werden können. Der Comic von Autor Ian Edington und Zeichner Davide Fabbri ist nach dem angeblichen Tod von Holmes und seinem Widersacher Professor Moriarty angesiedelt und lässt die Konkurrenten erneut aufeinandertreffen. Grafisch wurde ganze Arbeit geleistet. Das viktorianische London wird detailreich präsentiert. Der Zeichenstil überzeugt mit den Figuren, die mit klaren Konturen dargestellt werden, und vor allem mit der gelungenen Farbgebung, die auf jeder Seite einen edlen Glanz ausstrahlt. Trotz der guten Ausgangsidee des Comics muss festgehalten werden, dass die Auflösung am Schluss leider nicht ganz mit der üblichen Kreativität und Liebe zum erzählerischen Detail sonstiger Holmes-Geschichten mithalten kann. 

 

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Mit «Stolz und Vorurteil und Zombies» (Panini, zirka 17 Euro/24 Franken) hätte man einigen Gymnasiasten das Leben deutlich erleichtern können. Die als Buch erfolgreiche und nun auch als Comic erhältliche aufgepeppte Version des Jane Austen-Klassikers wird dem Grossteil der Leser einzige Lacher entlocken. Was auf den ersten Blick trashig anmutet, funktioniert erstaunlich gut.

 

In einem alternativen England des 18. Jahrhunderts stellt der Heiratsmarkt auch weiterhin einen wichtigen Teil des Lebens der britischen Oberschicht dar. Auf der Suche nach der besten Partie entstehen viele Konflikte, da die Eltern genügend Druck auf die Entscheidung der Kinder ausüben. Doch in dieser Welt zählen nicht nur Wohlstand und Aussehen, sondern aufgrund der ausgebrochenen Zombie-Epidemie auch die Fähigkeit zum Überleben. So hat Mr. Bennet seine fünf Töchter in weiser Voraussicht in Asien zu Kampfmaschinen ausbilden lassen. Diese ziehen nach der erfolgreichen Verteidigung eines Zombieüberfalls auf einen Tanzball natürlich die Aufmerksamkeit interessierter Junggesellen auf sich.

 

Die folgenden Intrigen und Missverständnisse auf dem Heiratsmarkt folgen dem Klassiker von Austen. Diese werden durch wiederholte Zombieangriffe und einen spektakulären Ninja-Showdown aufgelockert. Bemerkbar sind einzig einige Längen die vor allem gegen Ende der 176 Seiten auftauchen. Interessant ist auch, dass sich Zeichner Cliff Richards vollkommen auf schwarz-weisse Bilder verlässt. Die detailreichen und mit vielen Schwarzflächen gezeichneten Panels tragen massgeblich zur Atmosphäre bei. Zusammengefasst bleibt nur zu sagen: Experiment gelungen!

 

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Sasa Rasic, im Juli 2011

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