«Y – The Last Man»

Ohne Männer keine Zivilisation

Ist eine Welt ohne Männer eine bessere? Eher nicht, wenn es nach dem erfolgreichen amerikanischen Comic «Y – The Last Man» geht.

Was wie ein weiterer herkömmlicher Tag erscheint, verwandelt sich innerhalb kürzester Zeit zur grössten Tragödie der Menschheit. Innerhalb weniger Augenblicke sterben aus ungeklärten Gründen alle männlichen Säugetiere auf der Erde. Doch was nach dem Ende der Männer folgt, ist keineswegs harmonischer Frieden, wie viele annehmen würden, sondern das Ende der Zivilisation, wie wir sie kennen. Denn zwar gehört mit dem Verschwinden der Männer die Mehrheit der Gewaltstraftäter, aber auch ein Grossteil der Politiker, Piloten und Wissenschaftler der Geschichte an. Doch die überlebenden Frauen begreifen allmählich, dass ohne Männer der gesamten Menschheit innert einigen Jahrzehnten das Ende droht.

 

Der letzte Mann auf Erden

In diesem Szenario spielt die Comic-Reihe «Y – The Last Man» deren zehnter und letzter Band unlängst auf Deutsch erschienen ist. Protagonist ist der junge New Yorker Yorick Brown. Er und sein Kapuzineräffchen Ampersand scheinen die einzigen überlebenden männlichen Säugetiere zu sein. Die Reste der amerikanischen Regierung schicken ihn unter Schutz der Spezialagentin 355 auf die Suche nach einer Klonforscherin, die dank Yorick doch noch den Fortbestand der Menschen sichern könnte. Doch der letzte Mann auf Erden ist heiss begehrt: Neben anderen Regierungen sind auch die Amazonen hinter ihm her. Eine militante feministische Organisation, deren Ziel es ist, jegliche Spur männlicher Existenz von der Welt zu entfernen. Es folgt eine mehrjährige Odyssee um nahezu die ganze Welt.

Enttäuschende Grafik

Mit «Y – The Last Man» (Panini, je Band zirka 30 Franken) ist Autor Brian K. Vaughan und Zeichnerin Pia Guerra zweifellos eine der spannendsten Comic-Serien des letzen Jahrzehnts gelungen. Vaughan ist früher bereits durch innovative Werke wie «Die Löwen von Bagdad», welches das US-Bombardement auf Bagdad im Jahr 2003 aus der Sicht ausgebrochener Zoo-Löwen zeigt, aufgefallen. Enorme Sympathien erntet auch die Hauptfigur Yorick. Der schüchterne Witzbold passt überhaupt nicht in die messianische Rolle des Retters der Menschheit und droht oft an seinen Selbstzweifeln zu zerbrechen. Kein Wunder, ist für das Jahr 2011 bereits eine Verfilmung des Stoffs angekündigt.

 

So mitreissend die Handlung auch ist, die Grafik kann deren Niveau nicht erreichen. Zwar sind die Zeichnungen makellos und die Struktur der Panels stört das Lesevergnügen nie, doch die Aufmachung wirkt zu konventionell. Vor allem die Auswechselbarkeit der Frauenfiguren ist auffallend. Diese unterscheiden sich fast nur durch ihre Haut- und Haarfarbe. Kleinere Ausbrüche von Panelform und Farbgebung gibt es nur in einigen wenigen Traumsequenzen.

 

Fragen bleiben offen

Der grösste Pluspunkt der Serie bleibt das Gedankenexperiment – eine Welt ohne Männer –, welches konsequent zu Ende gedacht wird. Und die Komplexität des Gedankengangs würdigt Autor Vaughan auch mit dem Fakt, dass die Ursache für das Sterben der Männer offen gelassen wird. Ob Seuche, übernatürliche Ursachen oder eine simple Laune der Natur, Erklärungen gibt es in der Geschichte nahezu so viele wie Figuren. Dem Leser wird die Wahl selbst überlassen. So erklärt sich auch der Titel der Serie, der sowohl für das männliche Y-Chromosom steht als auch englisch ausgesprochen zur entscheidenden Frage nach dem «Warum» wird.

 

Zudem umschifft die Serie die letzte Hürde, an welche einige grosse Comic-Reihen scheitern. Der Schluss inklusive eines Epilogs aus der Zukunft überrascht und ist frei von Plattitüden. Obwohl er den Leser mit einem mulmigen Gefühl zurücklässt.

 

Sasa Rasic, im Oktober 2009

 

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