Preacher

Aberwitzige Suche nach Gott

Ein verbitterter Prediger erhält die Chance es mit dem Himmel aufzunehmen. «Preacher» ist definitiv einer der unkonventionellsten Comics auf dem Markt.

Es ist ein bemitleidenswertes Leben, das Jesse Custer führt. Nach einer äusserst traumatischen Jugend waltet er als Prediger in einem kleinen Nest in Texas. Seine ebenso ignorante wie heuchlerische Gemeinde frustriert ihn derart, dass der Reverend regelmässig Trost im Alkoholrausch sucht. Doch eines Tages trifft während seiner Messe eine seltsame Energieform seine Kirche und lässt sie niederbrennen. Custer überlebt auf wundersame Weise unverletzt. Später stellt sich heraus, dass die Energie Ergebnis etwas Undenkbaren ist – eine Vereinigung zwischen einem Engel und einem Dämon – und Custer mächtige Kräfte verleiht. Mit diesen macht er sich auf dem Weg Gott zu finden, diesen mit all seinem vergangenen Leiden zu konfrontieren und eine Antwort zu fordern.

 

Wieso all das Leid?

Diesen Monat erscheint der neunte und letzte Sammelband der Neuauflage der erstmals von 1995 bis 2000 erschienenen Comic-Serie «Preacher» (Panini, zirka 36 bis 44 Franken je Band). Damit wird einer der unkonventionellsten Comics nun endlich auch wieder komplett auf Deutsch erhältlich sein. Die aberwitzige Suche nach dem Allmächtigen nimmt das alte philosophische Theodizee-Problem auf – wie kann Gott solches Leiden auf der Welt zulassen? – und nähert sich der Thematik auf ungewohnte Art. Nämlich mit einem wütenden Individuum, das statt ins Sinnieren zu verfallen, die Sache in die eigene Hand nimmt. Hinzu kommt eine actiongeladene Handlung, denn Custers Kräfte haben auch die Aufmerksamkeit gefährlicher Gegner und einer mächtigen Geheimorganisation geweckt.

Action mit Tiefgang

Neben den detailreichen Zeichnungen mit den in erdigen Tönen gehaltenen Farben überzeugt der Comic von Garth Ennis und Steve Dillon in erster Linie aufgrund seiner zahlreichen, abgedrehten Charaktere. Custers Suche unterstützen etwa ein kampftrinkender, irischer Vampir und auf der Gegenseite ein rätselhafter Revolverheld aus der Zeit des Wilden Westen, den keine noch so schwere Verletzung von der Jagd auf den Prediger abhalten kann. Heraus sticht natürlich die Hauptfigur des Jesse Custer. Der gebrochene Mann ist bei seiner sadistischen Grossmutter aufgewachsen, die ihn für Ungehorsam grausam bestrafte, indem sie ihn zum Beispiel regelmässig in einen Sarg sperrte, und die für das Verschwinden seiner Eltern verantwortlich ist. Seit diesen traumatischen Erfahrungen erscheint ihm in prekären Situationen regelmässig John Wayne, der Held mehrerer Western-Filme, in geistiger Form und spricht ihm Mut zu. Zudem schlug Custer sich vor seiner Tätigkeit als Prediger als Krimineller durchs Leben. Doch verborgen hinter all den Action-Szenen bietet sich aufmerksamen Lesern eine beeindruckende Geschichte über menschlichen Verlust, das Überwinden von Traumen und der Schwierigkeit im Leben das Richtige zu tun.

 

Nicht für jedermann

Trotz der Originalität und des geistreichen Inhalts muss jedoch klar festgehalten werden, dass beim Lesen dieses Comics religiöse Gefühle verletzt werden könnten. Auch in Anbetracht der allgegenwärtigen Brutalität sollten sich empfindsame Gemüter die Lektüre besser zweimal überlegen.

 

Sasa Rasic, im März 2011

(zuerst erschienen in der «Neue Luzerner Zeitung»)

 

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